1616 - Mörderengel
griff er zu.
Er hob die Krone an. Seine Hände zitterten leicht. Auch ein Mann wie Sir James zeigte in einem solchen Moment Nerven.
Er hob die Krone an und hielt sie über seinen Kopf. »Ist es so richtig, Glenda?«
»Ja, Sir. Sie müssen sie nur noch aufsetzen. Dann werden Sie ihre Wirkung erleben.«
»Und das ist sicher?«
»Bisher war es so.«
»Und wie fühlt man sich dann?«
Glenda breitete die Arme aus. »Ich kann es Ihnen nicht sagen, Sir, aber bestimmt nicht so viel anders.«
Sir James hatte keine Fragen mehr. Zumindest stellte er keine. Dafür setzte er die Krone auf, was Glenda alles genau unter Kontrolle behielt.
Ob die Krone genau passte oder nicht, das war nicht wichtig. Es zählte nur das Ergebnis, und das bekam Glenda Perkins mit.
Sir James war plötzlich verschwunden!
Es war schon ein ungewöhnliches Bild, Sir James nicht zu sehen, wo er noch vor Sekunden gestanden hatte. Es sah aus, als wäre seine Anwesenheit einfach ausgelöscht worden. Als hätte es ihn in seinem Büro nie gegeben. Aber er war noch da. Sir James sprach zwar nicht, doch Glenda hörte sein Atmen.
»Sehen Sie mich?«, fragte er dann.
»Nein, Sir.«
Das wollte er nicht so hinnehmen. »Sind Sie sicher?«
»Ja, das bin ich. Ihre Stimme kann ich aber hören, als wäre nichts passiert.«
»Gut. Und ich sehe Sie.«
»Das war klar. Wie fühlen Sie sich, Sir?«
»Naja, nicht anders als sonst. Es hat bei mir selbst keine Veränderung gegeben. Es ist nur - nun, ich werde es Ihnen beweisen.«
Das tat er sofort. Er trat an seinen Schreibtisch heran und hob dort eine Mappe hoch.
Glenda musste sich erst an den Anblick gewöhnen, eine Mappe zu sehen, die einfach in der Luft schwebte und keiner Erdanziehung folgte, obgleich sie sichtbar nicht gehalten wurde.
»Und, Glenda?«
»Die Mappe sehe ich, aber nicht Sie.«
»Das wird sich gleich ändern.«
Glenda sah nicht, wie Sir James die Krone von seinem Kopf entfernte.
Kaum dass dies geschehen war, sah sie ihn selbst undbekam auch mit, wie er die Krone auf den Tisch legte.
Er musste sich nun setzen, lockerte den Knoten seiner Krawatte und schüttelte den Kopf. Er schaute dabei das Gebilde aus grauem Eisen an.
»Das habe ich auch noch nicht erlebt«, sprach er vor sich hin. »Ich weiß zwar, dass die Krone existiert und dass sie manchmal auch von Suko getragen wurde, aber dass ich sie je tragen würde, das ist mir nie in den Sinn gekommen.«
»Manchmal muss man sich den Gegebenheiten anpassen, Sir. Aber ist Ihnen jetzt wohler, wenn Sie an die Zukunft denken?«
»Ein wenig schon«, gab er zu. »Nur ist mir die Gefahr noch zu abstrakt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass dieser Mörderengel Scotland Yard erreicht haben könnte.«
»Halten Sie ihn denn für einen Lügner?«
Sir James runzelte die Stirn. »Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob ich ihn für einen Aufschneider halten soll. Das ist mir alles sehr suspekt, wenn ich ehrlich sein soll. Es hängt auch damit zusammen, dass ich mit diesen Dingen zuvor nie konfrontiert wurde. Nicht in der Praxis. Aber einmal muss wohl jeder umdenken.«
»Das sehen Sie richtig, Sir.«
Der Superintendent legte eine Hand auf die Krone. »Ich werde sie erst wieder aufsetzen, wenn es die Lage erfordert. Am liebsten würde ich sie wieder zurück in den Tresor bringen, doch das wäre in Anbetracht der eventuell auf uns zukommenden Vorgänge nicht gut. Ich werde sie also hier in meinem Büro behalten.«
»Dann haben Sie also vor, das Büro nicht zu verlassen?«
»Ja.«
»Rasmus wird Sie auf jeden Fall finden. Ich kann mir vorstellen, dass er sich längst erkundigt hat, wie er am besten eingreifen kann. Aber das muss sich erst ergeben.«
Sir James hatte alles gehört. Er faltete seine Hände zusammen wie bei einem Gebet.
»Bisher haben wir nur über uns geredet, aber es gibt noch zwei andere Menschen, die auf seiner Liste stehen.«
»Nur sind John und Suko nicht hier. Sie fahren irgendwo durch die Landschaft.«
»Meinen Sie denn, dass dieser Mörderengel sie in Ruhe lässt? Schließlich ist durch sie alles erst ins Rollen gekommen. Da habe ich meine Bedenken.«
»Ich auch.«
»Sie hätten sich melden sollen.« Sir James räusperte sich. »Ich denke, wir sollten es mal versuchen. Es ist besser, wenn sie wissen, zu welchen Gegenmaßnahmen wir gegriffen haben. Das könnte sie meines Erachtens beruhigen.«
»Ja, das wäre möglich.«
»Dann werde ich mal mit…« Diesmal musste Sir James seinen Satz abbrechen, denn das Telefon
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