1617 - Blutlust
schauen mal nach. Beim nächsten Treffen werden die Dinge anders ablaufen.«
»Das hoffe ich doch. Du bist der beste Schuss, den ich bisher hier erlebt habe.«
»Danke. Aber manchmal gehen Schüsse auch nach hinten los.«
Das Gespräch passte mir nicht. Ich spürte ein leichtes Vibrieren in mir.
Es wurde Zeit, dass wir uns auf den Weg machten, aber dieses Ritual musste durchgezogen werden, ebenso wie das Abklatschen.
Da ich die Richtung wusste, ging ich vor und hielt mich im Schatten der hohen Mauer. Die Musik war hier schwächer. Schnell sah ich die Umrisse der abgestellten Fahrzeuge, die kreuz und quer durcheinander geparkt waren. Aber auch die hohen Abfall-Container fielen mir auf. Sie standen dicht an der Mauer, und ich würde ihnen ausweichen müssen.
So recht glaubte ich nicht mehr an unsere Chance, Viola noch zu erwischen.
Justine holte mich schnell ein. »Sie ist weg«, sagte sie.
Ich ging noch zwei Schritte, hielt an und drehte mich um. »Woher weißt du das?«
»Das spüre ich.«
»Und weiter?«
Ich hatte die Frage einfach nur so gestellt und keine Antwort erwartet.
Trotzdem verhielt sich die Cavallo recht ungewöhnlich. Sie sagte zwar kein Wort, aber sie drehte sich auf der Stelle und ihr Gesicht hatte einen angespannten Ausdruck angenommen. Sogar die Augen hielt sie leicht verengt.
»Was ist los?«
»Etwas stimmt nicht, Partner.«
Das Wort Partner überhörte ich und fragte nur: »Was denn?«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Viola?«
»Hör auf damit, mich zu nerven.«
Ich wartete ab. Dass mir Justine etwas vorspielte, glaubte ich nicht.
Vampire besitzen für bestimmte Vorgänge besondere Instinkte. Dazu gehört auch das Spüren einer Gefahr. Es war durchaus möglich, dass es hier zutraf.
Die hellblonde Blutsaugerin bewegte sich von mir weg und ging auf die Container zu. Ich hatte sie bereits gesehen und nichts Verdächtiges dort entdeckt.
Jetzt vertraute ich ihr und blickte auf ihren Rücken. Sie ging sehr langsam, wie jemand, der sich auf einen plötzlichen Angriff aus dem Nichts einrichtet.
Der erfolgte nicht. Ich ging ihr allerdings nach. Mit einer heftigen Bewegung drehte sie sich zu mir um. Dabei winkte sie mir kurz zu. Ich beeilte mich und sah, dass sie mit der rechten Hand nach unten deutete.
»Viola war hier.«
Ich begriff noch nicht und fragte: »Wie meinst du das?«
»Sieh nach unten.«
Das tat ich und strengte mich dabei an. Auf dem dunklen Boden war es gar nicht so leicht, etwas zu entdecken. Ich brauchte einige Sekunden, um zu erkennen, dass dort ein menschlicher Körper lag. Eine Frau.
»Ich habe sie gerochen«, erklärte Justine. »Diese Frau ist im Werden, verstehst du?«
»Ja, ich weiß. Man hat ihr das Blut ausgesaugt, und wir haben das Nachsehen.«
»Viola hinterlässt Spuren.«
Die wollte ich mir genau anschauen.
Deshalb holte ich meine Lampe hervor und leuchtete die Gestalt an.
Sie trug ein hellrotes Kleid, das wie ein Trikot geschnitten war. Rot war auch die Farbe der Flüssigkeit, die sich an einer bestimmten Stelle an ihrem Hals abmalte. Da hatte die Vampirin das Blut nicht ganz weggeleckt.
»Du wirst sie wohl erlösen müssen, Partner. Oder soll ich das erledigen?«
»Nein, das ist meine Aufgabe.«
»Wie du willst.«
Ich schaute die blonde Bestie an und entdeckte in ihrer Hand so etwas wie einen Pfeil. Den hätte sie der Frau ins Herz gestoßen. Das war schon paradox, so etwas zu erleben. Eine Vampirin, die einen Artgenossen pfählen wollte.
Als ich dann mein Kreuz hervorholte, wandte sich die Cavallo ab. Davor hatte sie den nötigen Respekt.
Auf eine Kugel verzichtete ich. Der Knall eines Schusses hätte nur Alarm geschlagen. Das Kreuz würde sie zwar auch nicht lautlos erledigen, aber niemanden aufschrecken.
Gern tat ich es nicht. Nur gab es keine andere Möglichkeit. Sie würde irgendwann erwachen und sich auf den Weg machen, um Menschenblut zu trinken.
Ich suchte mir eine Stelle unter dem Hals aus. Das Kreuz brauchte sie nur leicht zu berühren, da zuckte der Körper hoch. Der Mund öffnete sich weit, doch es drang kein Laut hervor. Diese namenlose Person starb lautlos. Sie war erlöst. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber sie kam mir irgendwie entspannt vor, und damit hatte ich meine Pflicht getan.
Justine klopfte mir auf die Schulter.
»Sie war hier, John, daran gibt es keinen Zweifel. Nur sind wir zu spät gekommen.«
»Es gibt noch einen anderen Anlaufpunkt.«
»Gut, dann lass uns…«
»Nein, nicht sofort.«
Sie schaute
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