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162 - Das Grauen aus der Baring Road

162 - Das Grauen aus der Baring Road

Titel: 162 - Das Grauen aus der Baring Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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jeden Abend im See zu baden, und anschließend träumte es von einem Mann, den es nie wirklich gesehen hatte.
    Eines Abends aber kam das Mädchen nicht zurück, sondern erst als der Morgen graute. Die Fische, die sie bei sich trug, gab sie dem erstaunten Vater. Nie zuvor hatte sie sich in der Kunst des Fischens geübt, doch auf seine Fragen antwortete sie mit Schweigen.
    Es war zum Mittag, als plötzlich Palawaikö, die Große Schlange, vor der Hütte lag und sich langsam hineinschob. Schweigend starrte sie das Mädchen an, um dann ebenso unvermittelt wieder davonzukriechen, wie sie erschienen war. Die alten Leute sahen das Tier im See untertauchen, und das Mädchen sprach: „Komm morgen zu mir, hat Palawaikö gesagt." Dabei wirkte sie, als würden ihre Gedanken mit dem Wind verwehen.
    Als sie am anderen Morgen zum See ging, um Wasser zu holen, kam ihr der Mann aus ihren Träumen entgegen. Für ihre Eltern gab er ihr viele Fische als Geschenk. Noch während diese im Wassertopf kochten, hielt das Mädchen es nicht mehr aus. „Ich will nun zu ihm gehen", rief sie.
    „Nimm dies von mir", sagte der Vater und reichte ihr einen Stab, an den eine Zauberwurzel gebunden war.
    „Wenn dich jemand belästigt oder dir zu nahe tritt, mache ihm damit Kopfschmerzen, bis er den Verstand verliert. Wünschst du dich aber zu deinen Eltern zurück, wirf den Stab durch das Rauchloch der Hütte genau ins Herdfeuer. Danach laufe nach Hause, ohne dich nur einmal umzuwenden." Am Seeufer wurde das Mädchen schon von der Großen Schlange Palawaikö erwartet, die erneut die Gestalt eines kräftigen jungen Burschen angenommen hatte. Nach einer Weile schamhafter Zärtlichkeiten ergriff er sie am Arm, doch sie berührte ihn mit der Wurzel, und er zuckte schmerzerfüllt zusammen und ließ fürs erste von ihr ab.
    Schließlich erreichten sie Palawaikös Hütte. Nachdem er als erster darin verschwunden war und seine Braut zu sich rief, sah sie, daß er abermals Schlangengestalt besaß. Zitternd rollte der geschuppte Körper sich vor dem Feuer zusammen und wartete darauf, sie zu seiner Frau zu machen. Das Mädchen aber erkannte das schreckliche Schicksal, das ihm bevorstand. In aller Eile kletterte sie auf das niedrige Dach der Hütte und warf die Zauberwurzel durch das Rauchloch mitten hinein ins Feuer.
    Sie lief, so schnell die Füße sie trugen. Als sie den Waldrand erreichte, vernahm sie hinter sich das Grollen und Tosen wie von einem schweren Gewitter; selbst die Erde schien zu beben. Zuckender Feuerschein erfüllte das Firmament.
    Anderntags war der See verschwunden. Wo Palawaikös Hütte gestanden hatte, gähnten tiefe Löcher, vielleicht sogar bis in den Schlund der Erde hinab. Dieser Ort aber wurde seit jener Zeit von den Maidu-Indianern gemieden.

    „Das ist verdammt wenig", sagte der Dämonenkiller. „Eigentlich hatte ich mehr erwartet als ein altes Märchen oder eine Legende."
    „Was zum Beispiel?" fragte Madigan tonlos.
    „Irgendeinen Hinweis auf brauchbare Waffen oder Beschwörungen, irgend etwas, um Palawaikö zumindest in Bedrängnis zu bringen."
    Seufzend schlug Madigan das Buch zu und stellte es ins Regal zurück. Die Hypnose, der er noch immer unterlag, ließ seine Bewegungen schwerfällig erscheinen. Obwohl passionierter Nichtraucher, störte es ihn im Moment nicht, daß Dorian sich eine Zigarette ansteckte und die leere Schachtel zusammenknüllte und auf den Tisch warf. „Das Mädchen konnte Palawaikö besiegen", sagte er nach einer Weile nachdenklichen Schweigens.
    „Mit einer Zauberwurzel." Dorian begann eine unruhige Wanderung durch das Zimmer. Sein Blick taxierte etliche Sammlungsstücke.
    „Na und…?" machte Madigan.
    „Der Begriff Zauberwurzel kann eine Umschreibung für vieles sein. Was ich brauche, ist ein konkreter Hinweis. Vermutlich kannst du mir nicht einmal mit letzter Sicherheit sagen, ob die Geschichte mit dem Mädchen sich wirklich zugetragen hat."
    „Das kann ich nicht", pflichtete Madigan bei. „Aber ich kann dir eine solche Zauberwurzel geben." Der Dämonenkiller fuhr herum; sein Blick sprach Bände. Tatsächlich machte Madigan sich an einem der verschlossenen Schränke zu schaffen. Was er zum Vorschein brachte, erinnerte am ehesten an eine ausgebleichte Alraune. Das Gebilde maß höchstens eine Handspanne und sah aus wie ein von Kinderhand gezeichnetes Strichmännchen - nur mit dem Unterschied, daß eine Vielzahl feiner Härchen die Stelle des Kopfes einnahm. Als Dorian die Wurzel in die Hand

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