1621 - Die Verdammten
das Dach hinweg.
»Okay, ich fahre mit dir«, erklärte er mit schwerer Stimme. »Aber ich sage dir gleich, dass wir in Harrow noch einen letzten Drink nehmen.«
»Einverstanden. Aber steig endlich ein. Oder schaffst du nicht mal mehr das?«
»Ach, hör auf zu labern.« Jimmy Hatfield hatte schon Probleme beim Aufziehen der Tür, denn zweimal fasste er ins Leere. Dann hatte er es endlich geschafft, ging in die Knie und ließ sich auf den Sitz fallen, wobei er stark rülpste.
Bud Nichols betrachtete seinen Kollegen. Beide Männer arbeiteten als Elektriker am Bau, stammten aus Harrow, wo sich auch die Firma befand, bei der sie angestellt waren, aber oft führten sie die Aufträge in weiter entfernten Gegenden aus, was ihr Chef sehr begrüßte. Gerade im Zeichen der Krise.
Dass sie nach Feierabend noch einen alten Bekannten aus dem früheren Fußballverein getroffen hatten, damit hatten sie nicht rechnen können. Es war über zehn Jahre her, dass sie gemeinsam in einer Mannschaft gespielt hatten. Ihren Kumpel hatte es an die Küste gezogen, wo er ein Hotel eröffnet hatte. Jetzt war er für drei Tage zu Besuch bei seinen Eltern, und er war in den Pub gegangen, in dem plötzlich ein großes Wiedersehen stattgefunden hatte, das entsprechend begossen werden musste.
Und sie hatten gekippt. Besonders Jimmy Hatf ield. Zwischen seinen Bieren hatte er noch Whisky getrunken, was auf Dauer nicht gut gehen konnte.
Nichols war vernünftiger gewesen. Er hatte sich zurückgehalten und nach drei Gläsern nur noch Wasser in sich hineingekippt. Das hatte ihm zwar nicht geschmeckt, aber er war nicht so abgestürzt wie sein Kollege Jimmy Hatfield.
Hatfield hatte sich mit Mühe angeschnallt. Er war nach links gegen die Tür gekippt und wedelte mit der Hand durch die Luft, bevor er sagte:
»Fahr endlich los.«
»Ja, ja, ich habe nur gewartet, bis du angeschnallt bist.«
»Bockmist. Hier passiert nichts. Wer ist schon in der Nacht unterwegs? Kaum jemand. Auch keine Bullen.«
»Sag das nicht zu laut.«
Hatfield stieß wieder auf und ließ den Kopf sinken. Sein Kollege startete den Motor. Im Innenspiegel sah er die Beleuchtung des Pubs, der wenig später hinter ihnen zurück blieb.
Bis Harrow waren es knapp zehn Kilometer, die sie zurücklegen mussten. Für ein Auto keine Entfernung, wohl aber für einen Fahrer, der total breit war, und Bud Nichols war mehr als froh, dass er hinter dem Steuer saß und nicht sein Kumpel Jimmy. So ganz nüchtern war er auch nicht, aber er sah die Straße vor sich zumindest noch normal und nicht verschwommen.
Kollege Jimmy war bereits eingeschlafen, was Nichols sehr entgegenkam. So hatte er wenigstens seine Ruhe.
Es gab nicht viel zu lenken. Die Straße führte geradeaus. Erst kurz vor Harrow würde sie in eine lang gezogene Linkskurve schwenken, die erst kurz vor dem Ort aufhörte.
Ich werde keinen Drink mehr nehmen!, dachte Bud. Außerdem warteten seine Frau und seine Tochter auf ihn. Bei Jimmy war das anders. Seit er sich vor zwei Jahren hatte scheiden lassem, lebte er allein und verbrachte seinen Feierabend an der Theke eines Pubs.
Jetzt fing er auch noch an zu schnarchen, was Nichols überhaupt nicht abkonnte. Aber wenn er Jimmy jetzt weckte, würde es noch schlimmer werden, also entschied er sich für einen Kompromiss und schaltete das Radio ein. Aus den beiden alten Lautsprechern drang die Stimme Madonnas, die er mochte.
Das Schnarchen war nicht mehr so laut zu hören. Es ließ sich für Bud aushalten.
Die Nacht war nicht richtig finster, dafür sorgte der gelbe Kreis des Mondes am Himmel.
Andere Fahrzeuge waren um diese Zeit nicht mehr unterwegs. Er fuhr dennoch langsam und gab acht, dass er nicht von der Straße geriet, denn allzu breit war die Fahrbahn nicht.
Er dachte schon an den nächsten Tag, an dem sie wieder zu der außerhalb liegenden Baustelle fahren würden. Und Jimmy Hatfield würde wieder nüchtern sein. Das hatte er sich mittlerweile antrainiert, was Nichols als ein Phänomen ansah.
Er dachte daran, dass sie ihr Ziel bald erreicht haben würden, doch mit einem Mal wurde alles anders. Schräg vor sich in der Luft sah er eine Bewegung.
Nichols nahm sie wahr, fuhr aber weiter. Er war nicht beunruhigt, denn seiner Meinung nach handelte es sich um einen Vogel, der sehr schnell wieder verschwunden sein würde.
Das war jedoch nicht der Fall. Der Vogel blieb nicht nur in der Luft, er verdoppelte sich sogar, denn plötzlich gab es zwei von ihnen, die sich über der Straße
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