1622 - Sie kamen aus der Totenwelt
Umgebung nicht und wusste trotzdem, wie sie aussah. Man hatte sie ihm nicht nur beschrieben, er hatte sie auch erkundet, und das mit den vier Freunden, die regelmäßig kamen, um auf die Berge zu steigen. Sie nahmen ihn hin und wieder auf eine Tour mit und sorgten dafür, dass er sich immer in sicherem Schutz befand.
Jetzt waren es nur noch zwei…
Er wollte nicht länger darüber nachdenken, sondern den Tag genießen.
Unter ihm verlief die lange Dorf straße von Pontresina. Sie war nie still, auch in der Nacht nicht, aber um diese Zeit hielt sich der Verkehr in Grenzen. Er hörte nur die Geräusche des Bernina-Express, der über das Gebirge hinweg in Richtung Tirano fuhr. Ein Ort, der schon in Italien lag.
Er wartete auf seine Freunde, denn er war davon überzeugt, dass sie ihn nicht verlassen hatten. Sie würden kommen und ihm neue Nachrichten überbringen.
Und diesmal kamen sie nicht aus der Totenwelt, sondern aus der normalen, wo sie Aufgaben zu erledigen gehabt hatten. Oder hatten sie es nicht geschafft? War ihnen etwas in die Quere gekommen, dessen Stärke sie nicht hatten einschätzen können?
Fabricius sah sich als einen gelassenen Menschen an. Das war jetzt nicht mehr so. Er spürte eine gewisse Nervosität in sich hochsteigen, und das gefiel ihm nicht.
Eigentlich hatte er vorgehabt, in den Ort zu gehen. Das verschob er zunächst mal.
Kamen sie zurück oder nicht?
Fabricius wartete. Er genoss den leichten Wind, der die wunderbar frischen Gerüche des Bergfrühlings mitbrachte. So etwas musste man genießen, was er auch tat und dabei das Gesicht so drehte, dass es zum Gipfel des Piz Corvatsch zeigte, denn dieser Weg war für ihn so ungemein wichtig.
Der Corvatsch war sein Freund. Er bot ihm all das, was Fabricius wichtig war. Mochten sich viele Menschen auf diesem Berg vergnügen, seine Geschichte und den wahren Mythos, den kannte nur er.
Wo blieben seine Freunde?
Er wusste es nicht, so sehr er auch überlegte und lauschte. Sie mussten noch unterwegs sein, falls man sie nicht vernichtet hatte.
Die Welt um ihn herum schwieg. Nachdem er einige Minuten gewartet hatte, dachte er darüber nach, ob er nicht doch in den Ort gehen sollte, um etwas einzukaufen. Er brauchte einige Getränke, denn er würde nicht allein bleiben und wollte nicht, dass seine Gäste ihren flüssigen Proviant immer selbst mitbrachten.
Die Entscheidung stand noch nicht fest, als sich die Dinge plötzlich änderten.
Sein feines Gehör nahm etwas wahr, aber die Entfernung war noch zu groß, als dass er etwas hätte darüber sagen können.
So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten und zu lauschen, ob ihm der Wind die entsprechenden Botschaften näher brachte.
Das tat er.
Fabricius zuckte zusammen, als er das erste Krächzen hörte. Er wusste genau, wo sich der Vogel befand. Er flog von vorn auf ihn zu. Das Flattern seiner Flügel war zu hören, dann spürte er deren Luftzug über sein Gesicht streifen, und ein paar Sekunden später landete der Vogel auf seiner rechten Schulter.
Wegen des Barts waren die Lippen des Mannes kaum zu sehen. Jetzt aber verzogen sie sich zu einem weichen Lächeln.
Er hob den rechten Arm, streckte die Hand aus und strich über das weiche Gefieder, was der Rabe sehr genoss und den Kopf gegen die Handfläche drückte.
Fabricius stöhnte leise auf. Es war ein wohlig klingender Laut. Er freute sich über die Rückkehr des Vogels, der eine lange Reise hinter sich hatte.
Aber er war nicht allein fortgeflogen. Fabricius hatte noch weitere seiner Freunde auf die Reise geschickt, um gewisse Aufgaben zu erledigen.
Sie mussten durchgezogen werden, auch wenn das für ihn eine gewisse Gefahr bedeuten konnte.
Plötzlich war der nächste Rabe da. Das Krächzen, das Flattern, der Windhauch, dann der Druck auf seiner linken Schulter, wo das Tier gelandet war.
Fabricius wurde immer zufriedener. Von den anderen Tieren hörte er nichts. Das war im Moment auch nicht wichtig. Zwei hockten in seiner Nähe, und sie würden ihm berichten. Sie trugen die Aura des mystischen Bergs in sich und waren zu Wesen geworden, die durch Überlegenheit glänzten.
Er überlegte, ob er hier vor dem Haus bleiben sollte. Er entschied sich dagegen. Im Haus hatte er weniger Ablenkung. Da konnte er sich besser konzentrieren.
Und so drehte er sich langsam um und ging durch die offene Tür zurück ins Haus. Die beiden Raben blieben auf seinen Schultern sitzen.
Zielsicher steuerte Fabricius seinen Lieblingssessel an, der aus
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