1622 - Sie kamen aus der Totenwelt
Aber das war nicht alles. Als wir in sein Gesicht schauten, traf uns ein richtiger Schock, denn Todd Hayes fehlten beide Augen.
Wo sie sich mal befunden hatten, sahen wir jetzt nur blutige Löcher, und Blut war auch über sein Gesicht bis zu den zerfetzten Lippen gelaufen.
Dass er noch lebte, war ein kleines Wunder, denn auch sein Oberkörper sah schlimm aus. Er war von so vielen Wunden übersät, dass sie aussahen wie eine einzige.
Er stöhnte auch weiterhin. Ab und zu zuckte er mit den Füßen, und er war noch so klar, dass er uns gehört hatte, denn er fragte: »Bist du Konstabler Donovan?«
Suko gab mir ein Zeichen, damit ich die Antwort gab.
»Nein, Mr. Hayes. Mein Name ist John Sinclair, und ich bin mit meinem Kollegen Suko gekommen. Dass wir hier bei Ihnen sind, haben Sie schon Konstabler Donovan zu verdanken. Aber er hat uns nicht gesagt, wie schlimm verletzt wir Sie vorfinden würden.«
»Hat er nicht gewusst.«
»Okay, ich werde nach einem Arzt telefonieren und…«
»Neiiinnn…«, stöhnte er. »Keinen Arzt. Bitte nicht. Ich brauche keinen mehr. Es ist bald mit mir vorbei.« Er fing an zu keuchen. »Sie haben mich erwischt.«
»Wer?«
»Die Raben!«
Ich glaubte, mich verhört zu haben, und fragte: »Raben? Meinen Sie die Vögel damit?«
»Ja. Sie haben mich auf dem Gewissen, denn sie wollten nicht, dass ich preisgab, was ich erfahren habe. Aber ich kann es doch nicht für mich behalten. Sie - sie - sind nicht normal. Sie kennen die Welt der Toten. Sie wollen nicht, dass es jemand weiß. Das soll ein Geheimnis bleiben.«
»Und Sie haben es gelüftet?«
»Habe ich. Aber ich war nicht gut genug. Sonst hätten sie mich nicht erwischt. Alles ist kaputt. Sie haben das Fleisch auf meinem Rücken fast aufgefressen. Das sind verdammte ZombieVögel, glaube ich.«
»Und Raben?«
»Ja.«
»Und woher kommen sie?«
»Aus der Totenwelt. Aber sie sind nicht tot. Sie leben auf ihre Art, und das ist einfach nur schlimm.«
»Woher wissen Sie das?«
Todd Hayes riss seinen Mund auf. Er wollte mir eine Antwort geben, doch es war ihm nicht mehr möglich. Nur ein Stöhnen drang aus seinem Mund, aber in dieses Geräusch hinein versuchte er, uns noch etwas zu sagen.
»Fabri…« Mehr brachte er nicht hervor. Sein Körper zuckte noch mal, dann kippte er zur Seite und fiel so, dass wir auf seinen Rücken schauen konnten.
Er hatte nicht übertrieben. Was wir dort sahen, das war kein normaler Rücken mehr. Dort waren Haut-und Fleischstücke herausgerissen worden, und wir sahen jetzt auch die große Blutlache, die sich unter seinem Körper ausbreitete.
Ich kam mir vor, als hätte man mich in einen Kübel mit Eis gesteckt, und warf Suko einen fragenden Blick zu.
Er trat einen Schritt zurück. »Auch wenn du mich mit Fragen löcherst, ich kann dir keine Antwort geben. Wir müssen uns auf das verlassen, was er gesagt hat.«
Erst jetzt fielen mir die zahlreichen Fliegen auf, die der Blutgeruch angezogen hatte. Ich scheuchte sie zumindest aus meiner Umgebung weg und sprach Suko an.
»Du meinst die Raben?«
»Sicher.«
Wir waren keine Fachleute. Ob die Wunden tatsächlich von scharfen Schnabelhieben hinterlassen worden waren, das mussten Fachleute feststellen. Aber welchen Grund hätte der sterbende Todd Hayes gehabt, uns anzulügen? Keinen. Außerdem hatten wir nicht zum ersten Mal mit mutierten Vögeln zu tun, die in eine dämonische Abhängigkeit geraten waren. Da hatten wir leider einige böse Fälle erleben müssen.
Von den Raben war nichts zu sehen. Auch auf der Fahrt hierher waren sie uns nicht aufgefallen.
Todd Hayes hatte sogar den Begriff Zombie-Raben erwähnt. Das hatte er nicht ohne Grund getan. Dahinter musste schon mehr stecken, und ich ging davon aus, dass Todd Hayes zu den Wissenden gehört hatte.
Suko fiel noch etwas ein. »Er wollte uns doch noch etwas sagen. Kann es nicht sein, dass er uns einen Namen nennen wollte?«
Ich stutzte, holte mir die Szene noch mal zurück und nickte. »Stimmt.«
»Irgendetwas mit Fabi… oder Fabri…« Mein Freund hob die Schultern.
»Da war leider Schluss.«
»Es ist immerhin eine Spur.«
»Du sagst es.«
Es war klar, dass dieser Fall nicht einfach werden würde. Und wir konnten ihm nur auf die Spur kommen, wenn wir uns näher mit der Person des Toten beschäftigten.
Wer war dieser Mann genau gewesen? Welch ein Leben hatte er geführt? Wie war er mit diesen Raben in Kontakt gekommen? Viele Fragen auf einmal, keine Antworten. Allerdings wussten wir eines:
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