1626 - Die Nymphe
bewegten sich. Da es sehr still war, hörte jeder von uns sein leises Knurren. Es wehte uns wie eine gefährliche Botschaft entgegen. Dann kam er!
Übergangslos setzte er sich in Bewegung. Um uns zu erreichen, musste er die restlichen Treppenstufen hinter sich bringen, was er auch tat. Aber er ging dabei raffiniert vor. Er war schnell und bewegte sich im Zickzack.
Um an die Frauen heranzukommen, musste er zunächst mich passieren.
Das sollte ihm auf keinen Fall gelingen.
Ich zog meine Beretta.
Der Troll hatte die Stufe erreicht, auf der die tote Erica hockte. Von dort aus stieß er sich ab, und jetzt sprang er normal und nicht mehr im Zickzack.
Ich stieß die Beretta ins Ziel und drückte zweimal ab.
Plötzlich war es vorbei mit der Stille. Das Krachen der Waffe übertönte alles, auch den Schrei des Trolls, der direkt in die beiden Silberkugeln hineingesprungen war, die seine Brust wie mächtige Faustschläge trafen.
Noch in der Luft fing er an zu zittern. Er schüttelte sich sogar, und dann prallte er zu Boden. Ein dumpfer Laut erklang. Danach war es still. Der Troll bewegte sich nicht mehr.
Ich hörte Judy May sprechen, ohne zu verstehen, was sie sagte, denn ihre Worte überschlugen sich. Mit vorsichtigen Schritten ging ich auf die starre Gestalt zu und blieb dabei auf der Hut, da ich dem Frieden nicht traute.
Meine Silberkugeln hatte zwei große Wunden in der Brust des Trolls hinterlassen. Ich schaute genauer hin und sah, dass sich in den Öffnungen eine dunkle Flüssigkeit gesammelt hatte. Sie konnte rot, aber auch grün sein. So genau war das nicht zu erkennen.
Ich zielte mit der Waffe auf ihn und konzentrierte mich dabei auf das Gesicht.
Ja, es war hässlich, was mich in diesem Moment nicht interessierte. Ich wollte nur etwas Bestimmtes bestätigt wissen, und das bekam ich auch zu sehen.
In den Augen war kein Leben mehr. So tot wie dunkles Glas sahen sie aus.
Zum ersten Mal erlebte ich, dass es in diesem Haus noch anderes Leben gab. Die Schüsse waren gehört worden. Aus der oberen Etage hallten Frauenstimmen zu uns herunter. Die ersten Frauen erschienen am oberen Ende der Treppe.
Zum Glück behielt Martha die Nerven. Jetzt zeigte sie, wer die Chefin war. Sie rannte an der toten Erica vorbei die Treppe hoch, um ihre Mitschwestern zu beruhigen, was mir sehr entgegenkam. Eine Panik konnte ich nicht gebrauchen.
Ich packte den leblosen Troll und schleifte ihn neben die Treppe, wo er nicht mehr von oben zu sehen war.
Als ich mich aufrichtete, kam Judy auf mich zu. Sie hatte die Augen weit geöffnet und war blass wie ein Leichentuch.
»Ist er tot?«, fragte sie.
»Ja.« Ich nickte zu der Gestalt hinab. »Auch Trolle haben so etwas wie ein Herz oder eine Lebensader. Die wurde ihm durchtrennt. Er ist keine Gefahr mehr für uns.«
Judy schloss die Augen. Ob sie beruhigter war, wusste ich nicht. Ich hoffte es allerdings stark, denn ich brauchte noch ihre Hilfe. Mein Verdacht hatte sich bestätigt. Die Gestalt im Wald musste ein Troll gewesen sein.
Leider konnte ich mir nicht sicher sein, dass er der Einzige gewesen war, der die Gegend unsicher machte.
Vom Ende der Treppe her hörte ich eine heftige Diskussion. Dort stand Martha und hatte ihre Arme ausgebreitet. Mit dieser Geste wollte sie die Frauen davon abhalten, nach unten zu gehen.
Judy May sprach mich an. »Sie - sie - sind schon überall. Die Nymphe hat recht gehabt. Das große Grauen ist bereits auf dem Weg, um über uns herzufallen.«
Ich wiegelte ab. »Noch haben wir eine Chance, denke ich. Und so leicht geben wir nicht auf.«
Überzeugt hatte ich sie nicht, denn sie fragte: »Wollen wir nicht lieber fliehen?«
»Auf keinen Fall. Das gilt jedenfalls für mich. Bei Ihnen ist das etwas anderes, Judy.«
»Ich - ich - weiß nicht.«
»Wir müssen da durch. Unsere Chancen stehen nicht so schlecht, glauben Sie mir.« Ich wollte ihr Mut machen, denn was wirklich noch auf uns zukommen würde, das wusste auch ich nicht.
Martha kam die Treppe hinab. Sie hatte es geschafft, die Frauen zu beruhigen und sie wieder in ihre Zimmer zu schicken. Auch sie hatte Mühe, ihre Erregung zu unterdrücken. Furcht war in ihrem Blick, als sie mich anschaute.
»War das alles?«, fragte sie mich.
»Ich glaube nicht. Ich gehe eher davon aus, dass dieser Troll nur so etwas wie eine Vorhut war.«
Ihre Brauen zogen sich zusammen und zeigten ihre Unsicherheit. »Wie meinen Sie das genau?«
»Dass noch andere Feinde im Hintergrund lauern. Wir müssen uns ihnen
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