1627 - Panik
Die Normalität und die Realität hatten ihn wieder.
Dennoch fand er nicht die Kraft, sich zu erheben. Wie ein Geschlagener blieb er zwischen Stuhl und Schreibtisch auf dem Boden liegen…
***
In dieser Lage fanden Suko und ich unseren Chef.
Wir hatten die Bürotür geöffnet. Im ersten Moment wunderten wir uns über den leeren Schreibtischstuhl. Dann war es Suko, der unseren Chef entdeckte.
»Verdammt!«, sagte er nur und huschte vor.
Sekunden später kniete auch ich neben Sir James. Er hatte den Kopf gedreht. Die Brille war wieder verrutscht. Seinem Gesicht lasen wir ab, dass er Schreckliches erlebt haben musste. Auf seiner Haut lag eine dicke Schweißschicht. In den Augen stand noch das Entsetzen über das Erlebte zu lesen, was allerdings allmählich verschwand.
Wir stellten keine Fragen und hoben ihn an. Dabei sah ich mein Kreuz, das er bisher verdeckt hatte. Ich hob es auf und legte es wieder auf den Schreibtisch.
Sie James stöhnte. Er hielt die Augen geschlossen und schüttelte den Kopf. Wir sahen ein, dass er nicht ansprechbar war. Aber sein Blick war dabei, sich zu klären, und ihn interessierte offenbar nur eines, und das waren wir.
Er bewegte seine Lippen. Noch konnte er nicht sprechen. Ich sorgte für Wasser, das er trank. Danach hatte er sich gefangen und war beinahe wieder der Alte.
»Sir James? Können Sie…«
Er ließ mich nicht ausreden, winkte ab und flüsterte: »Ja, John, ich kann.«
»Gut…«
Sir James drehte den Kopf etwas nach rechts. So schaute er auf das Kreuz. Das war für ihn plötzlich sehr wichtig geworden, wie wir in den folgenden Sekunden erfuhren.
»Es hat mich gerettet. Wenn es nicht gewesen wäre, ich weiß nicht, was mit mir passiert wäre. Ich erlebte eine Panik, die man auch mit dem Begriff Todesangst umschreiben kann. Dass so etwas möglich ist, hätte ich nie gedacht. Es war nicht nur schlimm, es war auch grausam. Das muss ich leider sagen. Und es hat mich fertiggemacht. Es ist tief in mich eingedrungen. Es war so real, obwohl ich weiß, dass dies nicht der Fall sein kann.«
Ich nickte unserem Chef zu. »Aber Sie haben es letztendlich allein geschafft.«
Er wischte über seine Augen. »Nein, John, wäre das Kreuz nicht gewesen, ich kann nicht sagen, wie es ausgegangen wäre. Es wurde immer schlimmer. Ich fühlte mich nicht mehr als Mensch. Ich war zu einer Marionette geworden, die alles Böse in sich vereinigte. Ich war der Magnet, der das Grauen angezogen hat. Das kann ich einfach nicht begreifen.«
Das stimmte schon. Es war auch nicht zu begreifen. Noch nicht. Wir konnten nur froh sein, dass Sir James es geschafft hatte.
Er trank sein Glas leer, und es war ihm anzusehen, dass er sich immer mehr erholte und wohl bald seine alte Form wieder erreicht haben würde. Wir wussten, dass wir ihn besser in Ruhe ließen. Die nächsten Minuten sollten nur ihm gehören.
Sir James war schon ein harter Brocken. Er griff nach einem Blatt Papier und schrieb etwas auf. Suko und ich schauten ihm dabei zu und bemerkten, dass seine Hand kaum zitterte. Seine Lippen hatte er zu einem Lächeln verzogen. Danach schob er den Zettel mit der Information über den Schreibtisch auf uns zu.
»Ich habe Ihnen hier vier Namen aufgeschrieben. Es sind die der Männer, die mit mir zusammen auf dieser Tagung waren, die ja nur einen Tag dauerte. Zwei der Männer sind für mich unauffindbar. Man hat mir nicht sagen wollen, wo ich sie genau finden kann. Bei einem sprach man von Brüssel, wo im Moment eine NATO-Tagung stattfindet.«
»Ein Agent?«, fragte ich.
»Davon gehe ich aus.« Sir James erinnerte sich. »Er und sein Kollege waren auf dieser Tagung so etwas wie Außenseiter. Ich hatte so gut wie keinen Kontakt zu ihnen. Man kann sie als sehr einsilbig bezeichnen. Zu einer normalen Unterhaltung kam es nicht.«
»Dann bleiben uns vorerst nur die beiden anderen«, sagte Suko.
Sir James nickte. »Genau, Suko. Die Männer sind im Katastrophenschutz tätig. Sie leiten ganze Einheiten. Einer heißt Dale Brookman, der andere Carl Ersting.«
»Und sie wissen Bescheid?«
»Ja.«
»Was haben sie gesagt?«, fragte Suko weiter. »Oder wie haben sie reagiert? Waren sie…«
Sir James winkte ab. »Ungläubig, Suko. Und ich kann sie verstehen. Wer nicht in diese Fälle involviert ist wie wir, dem fällt es schwer, uns zu glauben. Ich habe mein Bestes getan, aber ich weiß nicht, ob meine Warnungen gefruchtet haben.«
»Das glaube ich.« Suko schaute mich an. »Dann werden wir uns die beiden
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