1641 - Die Blutmaske
hatte, die Worte zu verstehen.
»Nein, nein, du nicht! Du nicht! Du bist nicht würdig. Du stehst nicht auf unserer Seite.«
Man konnte die Blutsaugerin nur schwerlich überraschen. Diesmal war es anders, denn mit einer derartigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet.
Sie musste nicht erst lange nachdenken, um die Stimme in ihrem Kopf als feindlich einzustufen.
Sie steigerte sich weiter. »Du gehörst nicht zu uns! Du bist eine Feindin, verflucht!«
»Wer seid ihr denn?«, flüsterte sie scharf.
»Frag nicht, wer wir sind. Frag lieber, wer ich bin.«
»Du bist Gabriela Scotti, nicht wahr?«, sagte Justine.
»Ja. Ich war damals der Schrecken der Lagunenstadt. Ich habe in Venedig meine Zeichen gesetzt. Ich habe Blut fließen lassen. Ich habe meine Hexenorgien gefeiert. Ich habe mich daran ergötzt, wenn die Menschen starben, denen ich meinen Dolch in den Körper gestoßen habe. Aber auch ich konnte dem Tod nicht entrinnen, nur ist noch etwas von mir da. Es wird nicht vergehen, es sitzt in der Maske. Wer sie aufsetzt, der wird wie ich.«
»Und dann?«
»Will er Blut fließen sehen.«
Im Prinzip hatte Justine Cavallo nichts dagegen, wenn Blut floss. Das garantierte ihr ein Weiterleben. In diesem Fall allerdings musste sie die Tatsachen sehen. Sie war keine Person, die durch die Gegend ging und mordete. Sie hatte einen anderen Weg eingeschlagen, der allerdings irgendwie dasselbe Ziel hatte. Nur war die Maske mit dem Geist der Gabriela Scotti nicht in der Lage, sie so zu verändern wie einen normalen Menschen, und das hatte die andere Seite gemerkt.
»Du bist eine Hexe!«
»Ja.«
»Und ich bin eine Vampirin!«
»So ist das. Ich habe längst gespürt, dass du kein Mensch bist. Wir Hexen sind nicht eben deine Freundinnen.«
»Das weiß ich. Da habe ich genügend Erfahrungen sammeln können. Ich kenne sogar einen Vampir, der euch hasst, der euch lieber heute als morgen vernichten will.«
»Das schafft er nicht.«
»Ich würde da vorsichtig sein. Er ist sehr mächtig. Er will alles aus dem Weg räumen, was ihn stört.«
»Und dich? Was ist mit dir?«
»Mich mag er auch nicht.«
»Was willst du dann?«
»Ihn vernichten. Ich, eine Vampirin, will, dass Dracula II für immer verschwindet.« Sie lachte leise. »Deshalb brauche ich die Hilfe der Maske. Und später habt auch ihr Ruhe vor ihm.«
»Mein Geist, der dem Teufel geweiht ist, soll dir helfen?«
»So sehe ich es.«
»Und wie?«
»Indem du dich nicht gegen mich stellst. Sei einfach auf meiner Seite. Tu alles, was du für richtig hältst. Ich bin sicher, dass wir zusammen gegen Mallmann gewinnen können. Spring über deinen Schatten, denn letztendlich müssen wir zusammenhalten.«
»Hast du einen Plan?«
»Den habe ich.«
»Sag ihn mir.«
»Ich werde die Maske bei anderen Personen testen. Dann kann deine Kraft voll durchschlagen.«
»Gut, ich warte ab.«
»Danke, du wirst es nicht bereuen.« Die Cavallo hob die Hände und zog die Maske vom Gesicht. Plötzlich war die Stimme weg. Nichts hörte sie mehr, gar nichts. Sie konnte sich nun mit ihren eigenen Gedanken beschäftigen.
Die Maske war für sie zu einem Spielball geworden. Zu einem wichtigen Utensil, das für ihre Zukunft sehr wertvoll war. Ihr Ziel war noch immer der Sieg über Dracula II.
Sie wusste, dass es zu einer Auseinandersetzung kommen würde, und da wollte sie die Siegerin sein. Und das klappte nicht ohne Vorbereitung.
Plötzlich lachte sie auf. Claudine van Straaten hatte sie inzwischen vergessen. Sie würde erst wieder von Bedeutung sein, wenn die Dunkelheit hereinbrach. Jetzt mussten andere Dinge in Bewegung gesetzt werden.
Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln, weil sie sich in diesen Momenten wie eine Regisseurin fühlte, die allerdings erst noch ihre Schauspieler auf die Bühne bringen musste.
Und sie wusste bereits, wer den ersten Auftritt haben sollte.
Keine geringere als Jane Collins.
Schließlich war sie einmal eine Hexe gewesen…
***
Robin Dench war der Mann gewesen, der alles in Bewegung gesetzt hatte. Durch seine Beobachtungen war es Sinclair gelungen, Denchs teuflischen Nachbarn zu vernichten. Dass dabei noch eine zweite Mieterin in den Strudel mit hineingerissen wurde, das hatte er nicht vorhersehen können. Jedenfalls war Dench nichts passiert, und so hatte er seinen Lieblingsplatz am Fenster wieder eingenommen, um die Straße zu beobachten, was er besonders gern tat.
Er hatte sich für den Nachmittag frei genommen. Das konnte er sich in seinem Job
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