1641 - Symbiose
schwieg ebenfalls. Noruu fühlte sich so allein wie nie zuvor in seinem langen Leben. Er versuchte, Tarphs Rat zu befolgen und seinen Geist mit dem allgegenwärtigen Leben um ihn herum zu verbinden.
Er schaffte es nicht. Die Umgebung stieß ihn nicht ab, es lag an ihm selbst. Er war zu erregt und zu niedergeschlagen. Das Siechtum der Run steckte ihn genauso an wie die anderen Falahs.
Sie waren diesem Leid nicht gewachsen. Sie kannten es nicht. Sie hatten bisher immer nur die positiven Seiten des Lebens und des Zusammenseins gekannt, die Vorteile ihrer Begabung, sich in Leben jeder Art hineinzufühlen.
Und aus der Verzweiflung erwuchs der Gedanke, der vielleicht die Rettung bringen konnte - oder das Ende wenigstens weiter hinauszögern, den Tod der Run. Bevor sie die Welt durch ihr Siechtum vergifteten und auch den Falahs zum Verhängnis wurden, würden sie beseitigt werden.
Der Gedanke war hart, aber Noruu spürte erneut die Verantwortung, die auf ihm lastete. Mit seinem eigenen Schicksal, mit seinen Träumen und dem Tod durfte er sich nun nicht befassen.
Er sagte es sich immer wieder, während er aus dem Dickicht kroch und sich aufrichtete, um zu den anderen zurückzugehen.
Doch er konnte sein Schicksal nicht einfach wegschieben.
Denn Laas begann langsam zu sterben.
*
Es kostete die Falahs viel Überzeugungskraft, um die Symbiosegemeinschaft dazu zu bringen, die Fremden noch einmal ganz tief in sich einzubeziehen und sie mit dem zu versorgen, was ihnen nach Noruus und der anderen Heger Ansicht jetzt allein helfen konnte. Noruu hatte sich mit den anderen Falahs besprochen und ihnen seine Idee vorgetragen.
Sie hatten neue Hoffnung geschöpft und waren gemeinsam darangegangen, über die Sirr jene Mitglieder der Gemeinschaft herbeizurufen, deren Mithilfe sie nun benötigten. Die Symbiose mußte verstärkt werden, um die schwere Aufgabe zu meistern.
Und sie schaffte es.
Zwölf Sassin waren abgestorben und einige Pflanzen verendet und ausgeschieden worden, als die Ströme von der Mitte der Lichtung neu zu fließen begannen. Diesmal war es nicht das Ziel, die Körper der Zweibeiner nur mit Vitalstoffen zu versorgen. Diesmal produzierten die Symbionten Substanzen und brachten sie in den Metabolismus der Run ein, die deren Körperhaushalt drosseln und die Todkranken in einen komaähnlichen Zustand versetzen sollten, der alle Körperfunktionen fast auf null herabsetzte. Es betraf auch das Lebensorgan.
Wo bisher künstlich etwas aufrechterhalten worden war, wurde nun stillgelegt. Als die Falahs erleichtert begriffen, daß sie damit Erfolg hatten, waren die Sternenwesen nichts anderes mehr als konservierte Hüllen mit einem letzten schwachen Funken Leben darin, aber eher lebende Tote.
Noruu kam es nun wie ein Wunder vor, daß auch bis jetzt kein einziger von ihnen tatsächlich gestorben war. Jedes andere Wesen hätte hundertmal tot sein müssen. Doch so schwach ihr Lebensorgan auch flackerte, es weigerte sich einfach, ganz zu erlöschen. Noruu begriff das nicht, und manchmal ertappte er sich bei dem Gedanken, daß er sich wohler gefühlt hätte, wären fünf oder zehn der unheimlichen Fremden ihrer Schwäche erlegen.
Doch sie lagen da, unter der dichter gewordenen Decke aus Symbionten, starr wie Puppen, aber geistig immer noch aktiv. Sie konnten nicht mehr aufwachen. Was in ihren Körpern ablief, das spielte sich auf der tiefsten Ebene des Unter- und Unbewußten ab. Doch die Lebensgemeinschaft hatte die Mittel, um dort einzudringen und sich ganz langsam an das Wissen der tiefschlafenden Wesen heranzutasten.
Die Gefahr, daß sich das Siechtum der Run auf die Lebensgemeinschaft ausbreitete, war somit gebannt. Die Falahs auf der Lichtung in in der näheren Umgebung erholten sich zusehends.
Und eines Nachts hörte Noruu auch wieder die lautlose Stimme von Laas.
Sie war schwach. Es dauerte eine Weile, bis der Heger die Botschaft verstand.
Ich komme zu dir zurück, Noruu, teilte der Symbiont ihm mit. Du warst mir fremd geworden, aber jetzt weiß ich, daß sich alles so erfüllen wird, wie es bestimmt ist. Das erfüllt mich mit neuer Kraft, und ich werde dich an ihr teilhaben lassen. Denn du wirst viel Kraft brauchen.
Noruu fragte gedanklich, wie das gemeint sei, doch Laas gab keine weitere Auskunft.
In dieser Nacht schlief er ruhig und tief. Er träumte, aber es waren keine bösen Träume. Er sah die Schiffe der Ahnen in den Himmel steigen und reiste mit ihnen. Er lernte die Wunder des Universums kennen
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