1643 - Die Templer-Katakombe
was immer du auch mit dieser Begegnung vorhast. Darüber muss gesprochen werden.«
»Nein!«
Dieses Nein hatte er gezischt, und plötzlich leuchtete in seinen Augen etwas auf, was Ellen Angst machte. Unwillkürlich wich sie zurück und registrierte, dass ihr Vater mit beiden Händen abwinkte. Bei den nächsten Worten beruhigte sich seine Stimme wieder.
»Es tut mir leid, dass ich dich angefahren habe. Aber es musste sein. Dass wir uns hier getroffen haben, ist kein Zufall. Dafür gibt es einen triftigen Grund.«
Sie lachte in seine Erklärung hinein. »Sag jetzt nur nicht, dass du dich entschuldigen willst.«
»Ich hätte allen Grund dazu.«
»Gut, dass du es einsiehst.«
»Aber das ist hier nicht der richtige Ort und auch nicht der richtige Zeitpunkt. Es geht um etwas anderes, Ellen.«
»Aha. Und um was? Was ist denn wichtiger als eine Erklärung oder Entschuldigung?«
»Es geht um Leben und Tod!«
Ellen Radix sagte nichts mehr. Sie hatte fragen wollen, warum sie hierher bestellt worden war, wenn es nicht der richtige Ort oder Zeitpunkt war, doch nun hatte es ihr die Sprache verschlagen. Konnte sie ihrem Vater, der ihr mehr wie ein Fremder vorkam, überhaupt trauen?
Sie sah ihn vor sich, hörte ihn schwer atmen, und sie erkannte auch seine Unsicherheit. Er blickte immer wieder nach allen Seiten, allerdings drehte er sich nie ganz um, sondern immer nur halb.
»Sollen wir von hier weggehen?«, fragte sie mit ruhiger Stimme. Je mehr Zeit verstrich, umso ruhiger wurde sie, und sie sah, dass ihr Vater heftig nickte.
»Und wohin?«
»Ich würde am liebsten in die Kirche gehen. Aber die ist verschlossen, das habe ich schon ausprobiert. Lass uns auf die Rückseite gehen. Da ist das Gelände unübersichtlicher.«
»Wie du meinst.«
Bevor Roland Radix den ersten Schritt tat, schaute er sich um. Da war nichts zu sehen, was ihnen hätte gefährlich werden können. Dann gingen sie los, und es war mehr ein Schleichen. Roland Radix schaffte es nicht, sich locker zu bewegen. Sein Verhalten wirkte wie das eines Menschen, der sich von allen Seiten bedroht fühlte.
An der Rückseite der Kirche war das Gelände tatsächlich dichter bewachsen. Aber die direkte Nähe der Kirchenmauer war frei, und dort konnten sie sich hinstellen.
Ellen hörte das Schnaufen ihres Vater, als er sich mit dem Rücken gegen die Kirchenmauer gelehnt hatte. »Falls ich noch dazu komme, werde ich dir später erklären, warum ich mich so lange Zeit nicht gemeldet habe. Ich sage dir nur, dass ich meine berechtigten Gründe gehabt habe.«
»Ist das nicht zu egoistisch betrachtet?«
Ein entschiedenes Nein war die Antwort. Dann sagt er: »Es war kein Egoismus. Es diente allein eurem Schutz. Ich wollte euch auf keinen Fall in Gefahr bringen.«
Ellen schluckte. Normalerweise hätte sie den Kopf geschüttelt. Das wagte sie nicht mehr. Die Stimme ihres Vaters hatte sehr ehrlich und ernst geklungen.
»Was ist denn passiert?«, fragte sie.
»Die Antwort ist leicht. Ich habe Forschungen betrieben, um einem Geheimnis auf die Spur zu kommen.«
»Super.« Ihre Stimme klang sarkastisch. »Und deshalb bist du über Jahre hinweg verschwunden?«
»Das musste sein.«
»Und welch ein Geheimnis ist das gewesen?«
Er drückte sich zunächst um eine Antwort herum. »Es ist schwer für mich, dir dies konkret zu sagen, aber es hat mit dem Begriff Alchemie zu tun.«
»Ach…«
»Verstehst du?«
»Ja, nur nicht in Einzelheiten. Da muss man wohl Hunderte von Jahren zurückkehren. Haben diese Spinner oder Alchemisten nicht versucht, Gold herzustellen?«
»Ja, das haben sie. Überall in Europa. An den Höfen der Fürsten, Könige und Adeligen. Jeder, der etwas auf sich hielt und der genug Geld besaß, hat sich einen Alchemisten an den Hof geholt. Die Sucht nach dem gelben Metall war ungemein stark.«
»Davon habe ich gehört, Vater. Nur ist es keinem gelungen, aus Blei Gold zu machen.«
Roland Radix schwieg. Darüber wunderte sich seine Tochter. Sie hatte damit gerechnet, dass ihr Vater ihr zustimmte. Stattdessen sagte er kein Wort. Die Muskeln in seinem Gesicht bewegten sich zuckend, als stünde er unter einem gewaltigen Druck.
»Warum sagst du nichts?«
»Bist du dir sicher?«, flüsterte er.
»Du meinst das mit dem Gold?«
»Ja, genau.« Er nickte. »Das Gold war und ist das Maß aller Dinge. Das ist bis heute so geblieben. Nicht umsonst beruht die Währungsstabilität auf Goldreserven. Aber das ist jetzt unwichtig. Mich hat immer fasziniert, dass
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