1645 - Blutsturm
wichtiger.
»Wie sieht es mit einem Hafen aus?«, wollte ich wissen. »Können wir den anlaufen? Ich denke dabei nicht an einen künstlichen, sondern an einen natürlichen Hafen.«
Der Kollege bekam das große Staunen. »Nein, wo denken Sie hin. Sie müssen versuchen, eine Stelle zu finden, die so etwas wie einen Strand bildet. Den gibt es an der Ostseite der Insel, auf die Sie ja zufahren.«
»Danke.«
Es dauerte nicht lange, da hatten wir das Boot geentert. Es schwankte auf den Wellen, und wir mussten uns erst mal daran gewöhnen. Suko war jemand, der mit Fahrzeugen jeglicher Art gut zurechtkam, deshalb übernahm auch er das Ruder.
Ich machte es los und winkte dem Konstabler zu, der am Ufer stand und ein etwas säuerliches Gesicht zog.
Wenig später wurde ich gegen die niedrige Reling gedrückt, als Suko startete und erst einmal einen Bogen fuhr, um das offene Wasser zu erreichen…
***
Justine Cavallo glaubte, sich verhört zu haben, und sie konnte nicht anders, sie musste einfach lachen, was die Halbvampirin nicht beeindruckte, denn sie reagierte nicht. Sie starrte die Blonde durch das Netz kalt an.
Die Blutsaugerin stoppte ihr Lachen mit einigen glucksenden Lauten.
Schlagartig nahm ihr glattes Gesicht einen verschlagenen Ausdruck an.
Sie verengte leicht ihre Augen und erkundigte sich mit zischender Stimme: »Wie wollt ihr jemanden töten, der gar nicht richtig lebt?« Zum Beweis öffnete sie ihren Mund und präsentierte die beiden spitzen Zähne.
Die Person im weißen Kleid sagte nichts. Auch die übrigen Halbvampire gaben keine Antwort, da sie ebenfalls überrascht waren.
»Nun? Ich höre…«
»Du gehörst nicht zu uns.«
»Ach - wer sagt das?«
»Er. Unser Schöpfer!«
Die Cavallo hatte Mühe, ein weiteres Gelächter zu unterdrücken. Dass Dracula II als Schöpfer bezeichnet wurde, das hatte sie noch nie gehört.
Das wollte ihr auch nicht in den Sinn, und so konnte sie nur den Kopf schütteln.
»Mallmann ist kein Schöpfer«, erwiderte sie so laut, dass alle sie hören konnten. »Er ist schon so gut wie erledigt. Er wird nichts mehr schöpfen können, versteht ihr? Seine Zeit ist abgelaufen. Ich bin hier, um ihn zu vernichten.«
»Nein, das ist unmöglich.«
Justine bewegte sich nach links. Dadurch geriet das Netz leicht ins Schwanken, und sie geriet näher an die Person im weißen Kleid heran, aber nur für einen Moment, dann schwang sie wieder zurück.
»Wie heißt du?«
»Ada.«
»Sehr schön, Ada. Hast du dir schon mal darüber Gedanken gemacht, dass auch du nicht ewig lebst?«
»Nein!«
Die Cavallo nickte. »Das hättest du aber tun sollen, denn jetzt ist es zu spät.«
»Wieso?«
Wieder schwang das Netz mit seinem Inhalt. Genau das hatte Justine gewollt. Obwohl sie sich in einer nicht eben glücklichen Lage befand, war sie nicht bereit, hier die Verliererin zu spielen, und sie bekam zudem mit, wie ahnungslos diese Ada war. Sie starrte Justine an, ebenso wie die anderen Halbvampire, und Justine genoss einige wenige Sekunden das Pendeln.
Noch immer war ihre rechte Hand durch den Körper verdeckt. Niemand hatte es gesehen, und auch jetzt schöpfte keiner Verdacht, als sich die Vampirin innerhalb des Netzes bewegte.
Das Messer lag frei.
Noch ein Schwung, den sie vorbeigehen ließ. Sie lächelte dabei und wartete auf den nächsten, der sie nahe an Ada heranbrachte.
Perfekt.
Ada ahnte nicht, was auf sie zukam. Sie sah höchstens noch die Bewegung der Hand, dann hatte das Messer die Lücke im Netz gefunden und rammte hindurch.
Tief drang es in den Hals der Gestalt. Es steckte fest, und als das Netz wieder nach hinten schwang, wurde die Klinge wieder herausgezogen.
Justine lachte scharf und jubelnd auf. Sie sah, was passiert war, und schaute auch weiterhin zu.
Ada stand da wie eine Salzsäule. An ihrem Hals malte sich die klaffende Wunde ab. Bei einem Menschen wäre ein Blutstrom hervorgeschossen, bei ihr nicht. In ihren Adern gab es nicht viel Blut. Nur ein dünnes Rinnsal war zu sehen, das in Richtung Brust sickerte.
»Sehr schön«, sagte Justine, als sie wieder auf Ada zupendelte. Dabei gab sie ihr einen Stoß.
Ada kippte nach hinten und blieb liegen. Sie würde sich nie wieder erheben können, was auch die anderen Halbvampire begriffen. Sie standen auf der Stelle. Niemand bewegte sich. Zu tief saß der Schock.
Justine wusste, dass die Person erledigt war. Bei einem echten Blutsauger wäre es anders gewesen. Der hätte den Stich in der Kehle überstanden, nicht aber
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