165 - Olivaros Tod
dann phlegmatisch. „Wenn es sein muß, wollen wir gleich aufbrechen. Ich bin bereit, Astaroth."
Astaroth fegte als ein Nebelstreif aus der Hütte. Er umkreiste Dolfo und wollte ihn auf magische Weise an die Copacabana versetzen. Dolfo rührte sich aber nicht vorn Fleck. Astaroth nahm seine übliche Gestalt wieder an. Er war ohne Gazemaske. Viviana kannte ihn schließlich, und vor Dolfo brauchte er sein Gesicht bestimmt nicht zu verstecken.
„Was ist los?" fragte Astaroth. „Warum widerstrebst du meinen Bemühungen? Sollen wir vielleicht zu Fuß gehen oder was?"
„Ach so", brummte Dolfo. „Du hast mich mit dir ans Ziel versetzen wollen. Da muß ich erst meinen Gegenzauber lösen. Vor hundertzehn Jahren habe ich nämlich einmal eine böse Erfahrung gemacht. Da hatte mich doch glatt ein verfeindeter Dämon, als ich ein Jährchen schlief, hinwegversetzt. Ich erwachte und dachte, ich werde nicht mehr, denn ich lag am Grund eines Sumpfes. Ich hätte ja resigniert und wäre dortgeblieben, aber der Hunger, der Hunger… Bis ich mich da herausgewühlt hatte, das war eine Arbeit. Seitdem bin ich vorsichtig."
„Was hast du denn mit deinem Feind angestellt?" fragte Astaroth.
„Ich habe ihn mit Felsbrocken erschlagen und an die Kaimane und Piranhas verfüttert. Sein Schädel ziert meine Lieblingshöhle."
„Wir wollen aufbrechen."
Astaroth führte wieder die Beschwörung durch. Er verflüchtigte sich zu einem Nebelstreif. Diesmal klappte es. Auch Dolfos Umrisse verflossen. In einer magischen Sphäre bewegten die beiden sich in Richtung Copacabana. Doch plötzlich, mitten über der Stadt, spürte Astaroth, wie es gewaltig an seinen Kräften zerrte. Er konnte die Reise nicht mehr fortsetzen und landete mit Dolfo in der City, beim Parque Julio Furtado.
Astaroth konnte gerade noch dafür sorgen, daß er und Dolfo Tarngestalten annahmen. Sonst wären sie auf gefallen. In Rio herrschte auch zu der späten Stunde noch reger Betrieb. Die Stadt am Zuckerhut schlief nie. Dolfo stand als ein beleibter älterer Mann mit Panamahut, hellem Anzug und Spazierstock da, Astaroth als sein jüngerer, schlanker Begleiter, ein Dandy mit zahlreichen Ringen und Ketten.
Dolfos ungeschlachter Prügel war zu einem eleganten Stöckchen geworden.
„Was ist los, in Dreiteufelsnamen?" fragte Astaroth erbittert.
Er hatte wohl gemerkt, daß Dolfo den Flug hemmte.
„Hu, da war ein geflügeltes Ungeheuer", antwortete Dolfo. „Es brauste vom Ozean her, verursachte einen Höllenlärm, war riesengroß und blinzelte mit mehreren verschiedenfarbigen Augen."
„Das ist ein Flugzeug gewesen, du Tölpel. Was geht uns das an?"
„Flugzeug?"
„Eine Flugmaschine. Die Menschen haben das entwickelt. Menschen fliegen die Maschine, indem sie Geräte bedienen. Andere sitzen darin und lassen sich transportieren."
„Huh! Das hört sich aber schwierig an. Warum hexen sie sich denn nicht einfach von einem Ort an den anderen?"
„Weil sie das nicht können. Weil sie keine Dämonen sind. Hast du denn noch nie ein Flugzeug gesehen?"
„Am Amazonas waren auch welche, aber sie kamen ganz selten. Sie waren entweder viel kleiner, oder sie flogen höher und viel weiter von mir entfernt. Entschuldige, Astaroth."
„Keine Ursache. Jetzt laß uns aber wieder aufbrechen."
Zwei Prostituierte näherten sich den beiden. Sie waren beide üppig, nur minimal bekleidet und aufreizend geschminkt. Sie rauchten Zigaretten.
„Hallo, ihr zwei Süßen, wie wäre es denn?" fragte die eine. „Wollen wir in den Park gehen?"
Die Straßendirnen betrieben ihr Gewerbe unter freiem Himmel. Dolfo gaffte sie an.
„Warum nicht?" hörte Astaroth ihn sagen.
Er belegte die beiden Dirnen mit einem Bann, daß sie wieder gingen, und zerrte Dolfo weg.
„Bist du übergeschnappt?" fragte er. „Was willst du denn mit denen? Das sind Freudenmädchen, und wir haben anderes zu tun, als uns mit ihnen abzugeben. Überhaupt, was soll das denn?"
„Es würde mir Freude bereiten, ihnen die Lebenskräfte zu nehmen", antwortete Dolfo. „Was machen diese Frauen hier überhaupt um diese Zeit?"
„Sie üben das älteste Gewerbe der Welt aus."
„Welches ist das? Korbflechten?"
Das darf doch nicht wahr sein! dachte Astaroth. Dieses Dschungelungetüm hat überhaupt keine Ahnung. Aber was kann man von einem erwarten, der jahrelang als ein Baum dasteht, in Höhlen verschläft und dessen einzige Gesprächspartner Jaguare und Kaimane sind? Es ist eine Last mit ihm. Dolfo in die richtige Richtung zu
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