165 - Olivaros Tod
tun?"
„Hol den Kommandostab, Dorian Hunter", ächzte er. Schwarzes Blut - auch er hatte welches, wie die irdischen Dämonen, bloß in einer anderen Zusammensetzung - sickerte Olivaro aus Mund, Nase und Ohren. Sein glühender Blick trübte sich. Wenn er nicht in den letzten Zügen lag, wollte ich Padmasambhawa heißen. „Fahr damit über mich hinweg und sprich mir die Worte nach, die ich dir vorgebe. Dann kann ich noch einmal Kraft schöpfen."
Ich beeilte mich. Der Kommandostab lag zuunterst im Koffer. Er war vierzig Zentimeter lang, hatte vorn ein verdicktes Ende mit einem Loch darin und ließ sich teleskopartig zusammenschieben. Das andere Ende lief spitz zu, was schon mancher Dämon zu spüren bekommen hatte. Der Stab ließ sich bequem in der Hand halten.
Sein Gewicht schwankte. Manchmal schien er nur ein paar Gramm zu wiegen, dann wieder zehn Pfund und mehr.
Ich zog den Stab aus und bewegte ihn über Olivaro. Coco hatte ein Kleid übergezogen und stand dabei.
Olivaro sickerte noch immer das Blut aus den Mundwinkeln. Er bäumte sich auf.
„Kether samhara", schrie er und gab ein Wimmern von sich.
Ich sprach die Worte nach. Weitere in der Sprache der Janusköpfe folgten. Es war merkwürdig, während ich sprach, hatte ich eine geistige Verbindung mit Olivaro. Ich konnte zwar seine Gedanken nicht im Detail lesen, empfing aber Gefühle und Eindrücke. Ich erhielt eine Ahnung, wie es in Olivaros Innern aussah, wie ein Wesen von einer völlig fremden, weit entfernten Welt sich fühlte, das für immer auf der Erde gestrandet war.
Olivaro war unendlich einsam, stolz, auch grausam. Unmenschlich und von einer kalten, klaren Intelligenz, die mich erschauern ließ.
„Jagoth", schloß ich die Beschwörung.
Der Kommandostab hatte sich erwärmt und vibrierte. Ich spürte es, und ich vernahm auch ein Summen.
Olivaro hatte sich zusehends erholt. Straff und aufrecht stand er jetzt in seinem zerfetzten Anzug vor mir. Seine Augen funkelten dämonisch.
„Ha", sagte er. „Jetzt kann ich den zersetzenden Kräften wieder für eine Weile Widerstand leisten.
Höre meinen Plan, Dorian. Doch wenn Coco nicht mitwirkt, muß sie gehen. Dann mußt du den Plan auch ihr gegenüber geheimhalten."
Coco trat näher. Sie war neugierig, und sie wollte auch mich nicht allein lassen. Schließlich gehörten wir zusammen.
„Also gut, Olivaro, ich bin dabei. Du kannst aber ruhig wissen, daß ich keinen Finger für dich gerührt hätte. Nur weil Dorian es so will, helfe ich dir."
„Und ich dachte schon, es wäre meinem Charme zu verdanken", murmelte Olivaro süffisant.
„Hört zu. Meine Feinde wollen mich unbedingt zur Strecke bringen und werden vorher keine Ruhe geben. Es gibt nur eine Möglichkeit, sie zufriedenzustellen - meinen Tod."
„Das ist einleuchtend", sagte Coco. „Jetzt erzähl nur, du möchtest ihnen den Gefallen erweisen?" „Ja", antwortete Olivaro ernst. „Wenn Luguri meinen Kopf hat, ist er wunschlos glücklich. Für eine Weile jedenfalls."
„Du willst ihm deinen Kopf geben?" fragte ich und dachte wieder an die Vision im Hermes-Tempel. „Ja", sagte Olivaro wieder.
Er entwickelte seinen Plan. Er war so, wie es einem Olivaro entsprach. Unsere Rolle dabei war gefährlich, genauer gesagt, wir riskierten das Leben und noch viel mehr.
Es war Mitternacht, als Olivaro wie ein glühender Feuerstreif über den Himmel fuhr und auf der Kuppe des Zuckerhuts landete. Er materialisierte sich auf einer Aussichtsplattform. Rio lag ihm zu Füßen. Die Hotelpaläste und Hochhäuser an der Copacabana-Bucht strahlten im Lichterglanz. Lampions und bunte Lichter leuchteten vom Strand herauf, wo es Restaurants und Bars in Hülle und Fülle gab.
Dort amüsierten sich Menschen voller Lebensfreude. Olivaro war weit davon entfernt. Er malte ein feuriges Zeichen in die Luft, das Symbol für Astaroth. Sekunden danach erschien der Dämon mit dem entstellten Eberkopf aus dem Nichts. Astaroth verbeugte sich tief vor Olivaro.
„Oheim, ich grüße dich und versichere dich meiner tiefsten Ergebenheit."
Olivaro hatte eine andere Gestalt gewählt als im Copacabana Palace. Er trug einen Umhang, der außen schwarz und innen scharlachrot war. Statt Fingernägel hatte er lange Krallen, und auf seinem Kopf wuchsen kleine Hörner.
Olivaros Gesicht war eine verzerrte, satanische Grimasse. Er schnob feurigen Dampf und stank nach Pech und Schwefel. Er mußte an sich halten, um dem verräterischen Astaroth nicht an die Gurgel zu fahren. Doch das
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