1661
seines Vaters vorgedrungen war, entdeckte er im schwachen Mondlicht, das durch das Fenster schien, den quer über dem Bett ausgestreckten reglosen Körper André de Pontbriands. Im selben Moment rempelte ihn ein Mann an, der aus dem Zimmer flüchtete.
»Stehen bleiben!«, schrie Gabriel.
Als einzige Antwort blitzte drohend eine Klinge vor seinem Gesicht auf. Augenblicklich begann der Kampf. Während er die Stöße seines Angreifers abwehrte, musste Gabriel feststellen, dass dieser nicht allein war, denn aus dem Erdgeschoss drang ein fürchterlicher Lärm zu ihnen herauf. Ganz offensichtlich wurden die Geschäftsräume von Charles Saint John nach allen Regeln der Kunst durchsucht. Wütend strengte der junge Mann sich doppelt an, um sich den Einbrecher vomHals zu schaffen, der seinen Vater angegriffen hatte. Behände sprang er hin und her, um den Hieben seines Gegners auszuweichen, und fand sich bald auf der Treppe und dann in dem großen Empfangsraum für die Kundschaft wieder. Dort sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Die kostbaren Stoffballen waren aufgeschlitzt, die Gewürzkisten geleert. Im angrenzenden Raum entdeckte Gabriel mehrere Männer, die mit Fackeln in der Hand im Begriff waren, die Schränke, in denen der Kaufmann seine Geschäftsunterlagen aufbewahrte, zu leeren.
»Ihr seid erledigt!«, schrie Gabriel und stürzte sich auf die Eindringlinge. Ohne sich der Gefahr bewusst zu sein, musste er plötzlich gegen vier Gegner gleichzeitig fechten. Doch er hatte nichts von dem verlernt, was sein Onkel ihm in Amboise beigebracht hatte, und führte die Klinge mit seltener Gewandtheit, wobei er die Attacken der vier Schurken gekonnt abwehrte. Einem seiner Angreifer fügte er eine tiefe Schulterwunde zu, und mit einem meisterlichem Stoß traf er mitten ins Herz eines anderen, der lautlos zusammenbrach.
Auf einen knappen Befehl des Verwundeten hin flüchteten die drei Überlebenden durch das Fenster, das sie aufgebrochen hatten, um ins Haus einzudringen. Gabriel zögerte einen Moment, ob er sie in den dunklen Straßen verfolgen sollte, besann sich aber schnell auf seinen Vater, der verwundet in der oberen Etage lag. Der junge Mann ergriff eine Fackel und eilte in das Zimmer, in dem er vor einer Weile den Angreifer überrascht hatte. Als Gabriel sich dem Bett näherte, erbleichte er. Auf dem Nachthemd seines Vaters war dort, wo das Herz saß, ein kleiner Blutfleck zu sehen.
»Sie haben ihn getötet!«, flüsterte er, als er das wächserne Gesicht des alten Mannes sah.
Die Bilder überschlugen sich in seinem Kopf. Der Anblick seines toten Vaters, den er erst vor ein paar Stunden auf so wunderbare Weise wiedergefunden hatte, erschütterte ihn zutiefst.Gabriel zwang sich, Ruhe zu bewahren. Er musste sofort zu Fouquet zurückkehren und sich wieder unter seine Protektion begeben. Er stürzte in das Studierzimmer, um seine Sachen zusammenzusuchen. Vor allem musste er die kostbaren Papiere wieder an sich nehmen, denn nun war es doch an ihm, sie sicher aufzubewahren. Bevor er die Treppe hinabstieg, begab er sich ein letztes Mal ins Schlafzimmer, wo der Leichnam André de Pontbriands lag.
»Vater, ich werde mir alle erdenkliche Mühe geben, dir treu zu sein«, sagte der junge Mann leise. Die Tränen standen ihm in den Augen, als er sich mit einem letzten Blick von dem Mann verabschiedete, dessen Leben noch immer so viele Geheimnisse umgaben.
Bevor er das Haus verließ, kehrte Gabriel jedoch noch einmal zu dem Mann zurück, den er getötet hatte, um ihn zu durchsuchen. Wer sind bloß diese Schurken, und für wen arbeiten sie?, fragte er sich. In der Innentasche der Kleidung, die sein Opfer trug, fand der junge Mann einen Brief, der seine Fragen beantwortete.
Das Schreiben war von Charles Perrault unterzeichnet, Colberts Polizeichef. Die Männer waren beauftragt worden, »dem jungen Gabriel bei seinem Aufenthalt in London auf Schritt und Tritt zu folgen und sich mit allen Mitteln der Papiere zu bemächtigen, die sich im Besitz des Schauspielers befinden«.
Der junge Mann fühlte eine furchtbare Wut in sich aufsteigen. Aha, es ist also Colbert selbst, der den Tod meines Vaters zu verantworten hat, sagte er zu sich. Das wird Colbert mit dem Leben bezahlen, selbst wenn ich den Rest meiner Tage dieser Rache opfern muss!
»Nach Erledigung Eures Auftrags begebt Euch nach Beauvais zur Postkutschenstation und lasst mir eine Nachricht zukommen, dass Ihr wieder in Frankreich seid. Was auch immerpassiert, wartet dort auf
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