1661
wandte sich wieder an Louise. »Mademoiselle Henrietta, die künftige Gemahlin des Bruders meines Gatten, hat Glück, Euch zu ihren Freundinnen zu zählen. Ihr könnt ihr helfen, sich in dieser neuen Welt zurechtzufinden.«
Louise knickste ehrerbietig und trat dann zurück. Während sie sich entfernte, spürte sie, wie ihr die Blicke des ganzen Hofstaats folgten, vor allem der feurige Blick des Königs. Im Vorzimmer lief sie zu ihrer Mutter, die angesichts der freundlichen Worte des königliches Paares ihre Tränen nicht hatte zurückhalten können und aus dem Saal geflüchtet war, um ihre Rührung zu verbergen.
Auf der Türschwelle stand Colbert und sah den beiden mit argwöhnischer Miene nach.
Saint-Mandé
Freitag, 18. Februar, acht Uhr abends
»Charles, Armand, Louis! Kommt her und umarmt euren Vater. Es ist Zeit, ins Bett zu gehen.«
Die vier, fünf und acht Jahre alten Söhne traten einer nach dem anderen vor den Oberintendanten der Finanzen, um den väterlichen Kuss auf die Stirn zu empfangen, der Auftakt war für den Abmarsch in ihre Schlafgemächer.
Nicolas Fouquet liebte das Ritual, das wie jeden Abend in der großen Galerie seiner Bibliothek stattfand, wohin er sich eine Stunde zuvor begeben hatte. Seine Kinder waren mit ihrer Gouvernante zu ihm gekommen und hatten noch einen Augenblick an seiner Seite gespielt. Er zog sich gern hierher zurück, um sich am Anblick der siebenundzwanzigtausend Bände zu erfreuen, die er zusammengetragen hatte. Die meisten hatten einen fahlgelben Kalbsledereinband, in den seine ineinander verschlungenen Initialen NF geprägt waren. Die Bibliothek, deren Sammlung sich über weitere Räume seines Palais erstreckte, war sein ganzer Stolz. Er begriff sie als die Summe universellen Wissens und träumte davon, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so wie es Mazarin mit der seinen getan hatte. An diesem Abend bewunderte er einige arabische Handschriften, die er vor kurzem erst auf Rat seines Freundes La Fontaine für teures Geld erworben hatte.
»Es ist angerichtet, Euer Gnaden.«
Einer seiner Schweizer Lakaien war mit einer tiefen Verbeugung hereingekommen. Widerstrebend erhob sich der Oberintendant und folgte seinem Diener, der mit einem prächtigen Leuchter die langen Flure erhellte. Der riesige Landsitz mitten in Saint-Mandé setzte sich aus mehreren Gebäuden zusammen, die sechs Ehrenhöfe umschlossen. Von außen wirkte das Anwesen eher bescheiden, war man aber erst einmal im Inneren, kam es einem wie ein elegantes Palais vor. Sie durchquerten ein mit Statuen von Merkur und Apollo dekoriertes Vorzimmer und kamen in den Speisesaal, der von einem weißen Marmorspringbrunnen beherrscht wurde, auf dem eine Putte thronte.
»Wo ist Madame?«, fragte Fouquet, als er zu seiner Überraschung feststellte, dass nur ein Gedeck aufgelegt war.
»Madame hat sich vor zwei Stunden zur Ruhe begeben. Sie bittet Monsieur, ihr Fehlen zu entschuldigen, es ist … wegen ihres Zustands«, antwortete der Lakai etwas verlegen, auch wenn er die Frage erwartet hatte.
Nicolas Fouquet seufzte. Marie-Madeleines erneute Schwangerschaft zwang ihn einmal mehr dazu, allein zu Abend zu essen, was ihm überaus verhasst war. Als der Lakai sich gerade zurückziehen wollte, kam dem Oberintendanten jedoch eine Idee.
»Wartet Monsieur Molière noch immer im Saal?«
»So ist es, Euer Gnaden, ich habe ihm ausrichten lassen, dass Ihr ihn nach dem Abendessen empfangen werdet. Er ist in Begleitung seines Sekretärs.«
»Holt die beiden her. Diese Schauspieler bringen mich mit ihren Plaudereien hoffentlich auf andere Gedanken. Ich bin mir sicher, dass sie sich geschmeichelt fühlen werden, mit mir den Wein meiner Weinberge von Thomery zu kosten.«
Die Galerie, in der Molière und Gabriel warteten, ging auf den großen Park hinaus und war mit marmornen Göttern des Olymps geschmückt. Zwei imposante ägyptische Sarkophage, die der Oberintendant in Marseille gekauft hatte, der eine aus Basalt, der andere aus Kalkstein, vervollständigten die Dekoration. Normalerweise blieben die Besucher tief beeindruckt davor stehen.
Molière war daran gewöhnt, dass Fouquet seine Bittsteller immer lange warten ließ. Wenig empfänglich für den Reiz ägyptischer Kunstschätze, führte er bereits seit einer guten Stunde eine lebhafte Unterhaltung mit seinem Sekretär, der ihn zum ersten Mal begleitete, da der Theaterdirektor das Gefühl hatte, sich nach der Intrige, der er bei der Premiere seines neuen
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