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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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was er vorhat!«, stieß er zähneknirschend hervor und ballte die Fäuste, ohne zu bemerken, dass er nun mit lauter Stimme sprach. »Man verheimlicht mir etwas!«
    Ängstlich sah Perrault ihn an. Er hatte nur die letzten Worte verstanden, weshalb er nicht wusste, was er entgegnen sollte. Colbert verabschiedete ihn schroff.
    »Der junge Mann! Konzentriert Euch auf den jungen Mann. Na los, worauf wartet Ihr noch?!«
    Er blickte Perrault hinterher, der sich mit vorsichtigen Schritten entfernte, um nicht auf dem eisigen Pflaster auszurutschen. Als Colbert sich umdrehte, sah er, wie sich das Kirchenportal öffnete.
    »Amen«, sagte er laut und bekreuzigte sich flüchtig. Dann eilte er davon, noch bevor die ersten Gläubigen aus der Kirche traten.

Rue Saint-Antoine
    Montag, 21.   Februar, gegen fünf Uhr morgens
    Die Augen des Mannes, der noch vor Anbruch des neuen Tages an den geschlossenen Verkaufsständen entlangschlich, glühten vor Fieber. Angespannt schaute er sich immer wieder um, um sich zu vergewissern, dass er allein auf den eisglatten Straßen war. In seiner Hand trug er einen Hammer, unter seinem Umhang einen Sack aus Segeltuch. Alle zehn bis zwanzig Meter blieb er vor einem Kirchenportal oder einem hölzernen Fensterladen stehen und schlug ein Pamphlet an, das er aus seinem Sack zog. Der Verfasser der Schmähschrift war der Mann mit den verschiedenfarbigen Augen, der beschlossen hatte, sie eigenhändig und noch in derselben Nacht unters Pariser Volk zu bringen. Seit Tagen ließ ihn der Gedanke an die verlorene Ledermappe, die er nicht wieder hatte auftreiben können, nicht los. Es quälte ihn, seine Mission nicht erfüllt zu haben. Doch auch wenn er seinem Auftraggeber nicht alle Schriftstücke des Kardinals hatte aushändigen können und er bei denen, die er in der Krypta von Saint-Cosmas übergeben hatte, nicht alles begriffen hatte, waren ihm dennoch genügend Dinge aufgefallen, die seinen Zorn geschürt und das unbändige Verlangen geweckt hatten, etwas zu tun. Der König wird sich unterwerfen müssen, wenn Paris sich erhebt, nachdem es die wahre Natur der Machenschaften des Italieners erkannt hat, sagte er sich, das hier wird Seine Majestät zumHandeln zwingen! Mit einem wütenden Schlag nagelte er seine letzte Schmähschrift an die Tür einer Schuhmacherwerkstatt, warf den leeren Sack weit von sich und verschwand mit schnellen Schritten in einer engen Gasse.
     
    Einige Stunden später verriegelte Gabriel de Pontbriand die Tür zu seiner Kammer. Sein Herz hüpfte vor Freude. Louises Besuche waren nicht ganz unschuldig an diesem Gemütszustand. Seit sie sich wiedergetroffen hatten, war seine Freundin aus Kindertagen schon mehrmals zu ihm gekommen, um mit ihm Erinnerungen auszutauschen und ihm vom Leben am Hof zu erzählen. Zu ihrem Vertrauten geworden zu sein, berauschte und verunsicherte Gabriel zugleich. Doch es gab auch noch einen anderen Grund für seine Hochstimmung: Molière hatte ihm am Abend vorher mitgeteilt, dass er in dem Stück, welches der Oberintendant der Finanzen zur Einweihung seines Schlosses von Vaux-le-Vicomte bestellt hatte, eine Rolle für seinen Sekretär vorgesehen habe. Ich werde vor dem König spielen! Endlich erfüllt sich mein langjähriger Traum!, dachte er, als er das Haus in der Rue des Lions Saint-Paul verließ, und der Gedanke zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.
    »Ihr seht heute Morgen so glücklich aus, Monsieur Gabriel«, begrüßte ihn die Wäscherin, die gegenüber wohnte und jeden Tag ungeduldig darauf wartete, dass der junge, gutaussehende Mann aus dem Haus trat. »Das fällt auf, wo in der Stadt doch die Stimmung gerade eher gedämpft ist, weil der Kardinal im Sterben liegt und am Hof eine Intrige nach der anderen gesponnen wird. Man munkelt so allerlei. Dank der Leute, mit denen Ihr verkehrt, wisst Ihr aber sicher mehr darüber als ich«, fügte das Mädchen etwas boshaft hinzu.
    Gabriel überhörte geflissentlich ihre Anspielung auf die wiederholten Besuche von Louise de La Vallière und lächelte.
    »Gebt Euch keinen Illusionen hin, meine liebe Ninon, ich weiß von nichts. Wie auch? Der König zieht mich jedenfalls nicht in sein Vertrauen. Wenn ich glücklich aussehe, liegt das gewiss an der Freude, Euch zu sehen«, sagte er und streichelte der hochrot gewordenen Wäscherin zum Abschied sanft die Wange.
    Dann machte er sich pfeifend auf den Weg zum Schuhmacher, wo er ein Paar alte Stiefel abgegeben hatte, in der Hoffnung, dass sie nach der Reparatur noch

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