1661
aufgezwungen. Weil ich überleben wollte. Man liebt mich nicht, Monsieur Fouquet. Man braucht mich, man braucht mein Geld und meine Gewandtheit. Man trifft sich mit mir nur nach Vereinbarung. Doch man lädt mich nicht ein. Man kennt mich nicht. Wer weiß schon, dass ich in Antwerpen mit Rubens befreundet war? Was erwartet Ihr? Man speist nicht mit Jabach …«
Fouquet versuchte, sich seine Bestürzung nicht anmerken zu lassen. War das also die Schwachstelle des geheimnisvollen Jabach? Er, dessen Verschwiegenheit ihm so viel Reichtumund Einfluss verschafft hatte, er träumte davon, zur Gesellschaft der Höflinge zu gehören?
»Ihr habt mir Euren geheimen Garten gezeigt, Monsieur Jabach. Ich wäre glücklich, Euch auch meinen Garten zeigen zu können. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, mich in Vaux zu besuchen? Ich plane dort einen großen Empfang, sobald die Bauarbeiten abgeschlossen sind. Das genaue Datum lasse ich Euch rechtzeitig wissen.« Jabach verbeugte sich hocherfreut, während Fouquet fortfuhr: »Mir gefällt Euer Grundsatz für diesen Raum. Hättet Ihr etwas dagegen, hier auch von den anderen Dingen zu sprechen, die mich hergeführt haben?«
Jabach bekam einen gierigen Blick.
»Ganz wie Ihr wünscht,
monsieur le surintendant.
Doch ist es vernünftig, so offen über diese Angelegenheiten zu sprechen?«
»Die Sache ist so einfach, dass kein großes Risiko dabei ist: Ich brauche innerhalb von acht Tagen eine Anleihe von einer Million Livre auf meinen Namen.«
Jabach faltete die Hände unter dem Kinn und seufzte.
»Auf Euren Namen?«, fragte er argwöhnisch. »Die Freimütigkeit verpflichtet zur Klarheit, Monsieur Fouquet: auf Euren Namen oder auf den des Königs? Ersteres ginge in Ordnung, aber wenn dem nicht so sein sollte … Ich habe schon gesehen, wie sich die nicht zurückgezahlten Anleihen und auf Einnahmen des Schatzamtes verpfändeten Wertpapiere plötzlich in einfache Staatsanleihen verwandeln, was so viel heißt, wie dass man sie in den Wind schreiben kann …«
Fouquet spürte, wie Gereiztheit in ihm aufstieg. Der komische Kauz weiß sich seines Grundsatzes zu bedienen, dachte er.
»Die Anleihe geht auf meinen Namen, Monsieur Jabach, und das Unterpfand wie auch die Tilgungen werdet Ihr aus meiner Privatschatulle bekommen. Gleichwohl benötige ich die Summe für Seine Majestät den König.«
Jabachs Miene drückte Zweifel aus.
»Ihr geht ein schreckliches Risiko ein,
monsieur le surintendant
. Es ist sehr schwer, eine Krone zu tragen, die einem nicht gehört. Und die Dankbarkeit eines Monarchen …«
Fouquet winkte ab.
»Schweigt lieber, Monsieur. An diesem Ort soll Offenheit gelten, doch gibt es gefährliche Terrains, auf die man sich besser erst gar nicht begibt. Es möge Euch genügen, wenn ich Euch sage, dass Treue und Ergebenheit nicht unbedingt mit Blindheit gleichzusetzen sind. Im Übrigen bin ich an derlei Aufgaben gewöhnt. Über zehn Jahre lang die Kriege Seiner Majestät zu finanzieren hat mich das hinreichend gelehrt.«
Jabach breitete lächelnd die Arme aus zum Zeichen, dass er einverstanden war.
»Nun, Monsieur Fouquet, Ihr habt das Sagen; Gott bewahre mich, mehr darüber erfahren zu wollen. Ihr werdet Euer … nein,
das
Geld bekommen«, verbesserte er sich und zeigte auf die Tür, die sich nun wie durch ein Wunder in ihren Angeln drehte.
Der Oberintendant der Finanzen ging als Erster hinaus. In dem Augenblick, da er die Türschwelle überschritt, drehte er sich jedoch noch einmal um und warf einen letzten Blick auf Raphaels Madonna.
Schloss von Vincennes
Sonntag, 27. Februar, gegen zehn Uhr morgens
Das Blatt vor sich, das bereits zur Hälfte mit seiner kleinen akkuraten Schrift beschrieben war, tauchte Toussaint Roze seine Feder in das Tintenfass, streifte sorgfältig die überschüssige Tinte ab und blickte zum Kardinal auf, der fieberhaft in den auf seinem Schreibtisch verstreuten Papieren wühlte, während er ihm nun weiterdiktierte:
»Und der Gemeinschaft der Brüder von der Demut Christi vermachen wir … Wo ist nur die Liste, auf der sie aufgeführt sind?«
Colbert, der hinter dem mit rotgrünem Samt bezogenen Lehnstuhl des Kardinals stand, beugte sich vor, zog, ohne zu zögern, ein unter einem Stoß vergrabenes Blatt hervor und deutete auf eine mehrfach verbesserte Ziffer.
»Ach, da ist sie ja«, sagte Mazarin und griff nach dem Dokument. »Schreibt, Roze:… vermachen wir die Summe von tausend Livre sowie die Pfründe aus der Gemeinde
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