1661
entgangen. Aha, so also setzt Colbert seine Ränkespiele fort, dachte er angewidert. Nach Molière ist nun Fouquet an der Reihe. Wirklich, der Kerl schreckt vor nichts zurück und kennt keinerlei Skrupel.
»Mein lieber Jean, Ihr habt zweifellos recht«, sagte der Oberintendant nach langem Schweigen und nahm den Arm seines Freundes, um zu Le Brun zurückzukehren, der in der Mitte des Raums ängstlich auf sie wartete. »Ich werde um eine Audienz bei Seiner Majestät bitten, um die Dinge zu klären. Und auch der Königinmutter werde ich einen Besuch abstatten. Ihr wisst um die Sympathie, die sie mir entgegenbringt. Ich muss mit ihr sowieso über eine Zahlungsverpflichtung reden. Das kann ich als Vorwand benutzen, all das zur Sprache zu bringen und sie um Rat zu bitten.«
Le Brun sah mit einer gewissen Sorge dem Oberintendanten entgegen.
»Versucht in Zukunft in Fragen der Verwaltung meiner Manufaktur etwas weniger Künstler zu sein«, sagte Fouquet lächelnd. »Ich verzeihe Euch angesichts der Meisterwerke, die hier nach Euren Entwürfen entstehen; der Anblick hat uns alle verzaubert. Da Ihr anscheinend aber auch die Kunst des Inventarisierens beherrscht, so stellt mir schnellstens alle Auskünfte zusammen, die Ihr Colbert erteilt habt.«
Sichtbar erleichtert, sich so gut aus der Affäre gezogen zu haben, verneigte sich Le Brun tief.
»Kommen wir nun zu etwas anderem: Eure Arbeiter sehen schlecht genährt aus«, fuhr der Oberintendant der Finanzen fort. »Ihr lasst sie wohl bis zur Erschöpfung arbeiten. Um ihnen meine Dankbarkeit zu zeigen, zahlt ihnen ab dieser Woche ein Zehntel mehr Lohn.« Ein vorsichtiges Räuspern ließ ihn aufmerken. Er drehte sich um. »Was gibt es, Gabriel?«
»Es ist … Ich habe mich gefragt, wo alle diese Leute, die Handwerker und Künstler, eigentlich wohnen.«
Le Brun zog ein schiefes Gesicht und warf Gabriel einen feindseligen Blick zu. Als er aber sah, dass Fouquet ihn nun ebenfalls fragend ansah, beeilte er sich mit einer Antwort.
»Also …«, stammelte er, »wir haben unsere Kräfte natürlich auf die Herstellung der Tapisserien konzentriert … Alles andere ist deswegen noch nicht fertiggestellt und …«
»Ich hatte dieses Thema leider vergessen«, unterbrach ihn Fouquet mit plötzlich eisiger Stimme. »Danke, Gabriel, dass Ihr mich daran erinnert habt. Monsieur Le Brun, es missfällt mir außerordentlich, dass ich Euch meine Anweisungen wiederholen muss. Ich würde es begrüßen, wenn Ihr schleunigst das alte Kloster der Karmeliter umbauen ließet und die Leute dort anständig unterbringen würdet«, erklärte der Oberintendant in strengem Ton. »Ich kann es nicht hinnehmen, dass meine Handwerker, nur wenige Meilen von meinem Schloss entfernt, schlechter untergebracht sind als Tiere. Zum Teufel, Monsieur Le Brun, wie oft muss ich Euch noch sagen, welchen Wert ich den Lebensbedingungen eines jeden meiner Bediensteten beimesse!«
»Ich werde dafür Sorge tragen, Euer Gnaden«, antwortete Le Brun mit gesenktem Kopf, »seid Euch dessen gewiss.«
Pstealais von François d’Orbay
Freitag, 11. März, elf Uhr nachts
Die sehnigen Hände hinter dem Rücken verschränkt, stand François d’Orbay am Fenster seines geräumigen Arbeitszimmers und sah zu, wie der Regen in dicken Tropfen gegen die Fensterscheiben prasselte. Der Innenhof seines Palais, der von zwei beiderseits des Portals angebrachten Sturmlampen erhellt wurde, war nur verschwommen zu erkennen. Sein Besucher verspätete sich. Seufzend drehte er sich um und ging ein paar Schritte bis zur Mitte des Zimmers, wo sein Blick in den Spiegel an der Wand fiel. Er trat näher. Seine Züge wirkten irgendwie härter, das Gesicht zerfurchter. Ist das schon das Alter?, dachte er voller bitterer Selbstironie und wandte sich zur Tür. Die Stille im Haus, die nur durch den auf das Dach und gegen die Fenster trommelnden Regen gestört wurde, entspannte ihn.
Im Dunkel tastete er sich, mit einer Hand an der Mauer, durch den Salon und das Vestibül zum Schlafgemach seiner Kinder. Der Hall seiner Schritte auf den Fliesen weckte die Gouvernante, die sich erschreckt in ihrem Bett aufrichtete, das im Vorzimmer aufgestellt war. Er machte ihr ein Zeichen, sich wieder hinzulegen, und drückte dann vorsichtig die Türklinke des Zimmers herunter, in dem sein kleiner Junge und sein kleines Mädchen schliefen. Dank eines schwachen Lichtstrahls, der durch die Läden des zum Garten liegenden Fensters hereindrang, konnte er sich
Weitere Kostenlose Bücher