1661
betrat, blieb er verblüfft stehen. Vor sich sah er den König von Frankreich in voller Jagdkleidung, und er tanzte!
»Hierher,
monsieur le surintendant
«, sagte der König und wandte kaum den Kopf, um mit der Abfolge der Figur, die er tanzte, nicht durcheinanderzukommen. »Seht, ich übe wie ein Schmierenkomödiant. Ich übe das ›Ballett der Jahreszeiten‹, um für die Feste bereit zu sein, die ich hier im Laufe des Frühlings zu geben gedenke.«
Da er nicht recht wusste, was er antworten sollte, bewunderte Fouquet schweigend den Auftritt des jungen Souveräns. Der Ballettmeister gab den Rhythmus vor, indem er mit seinem Stab auf das Parkett klopfte.
»Das muss genügen«, sagte der König und tupfte sich die Stirn mit einem Spitzentaschentuch, das er aus seinem Ärmel zog. »Die Stunde gehört den Staatsangelegenheiten, und ich muss mich mit dem Oberintendanten beraten.«
Mit einer Handbewegung entließ Ludwig XIV. seinen Ballettmeister nebst den anwesenden Kammerdienern und nahm in seinem Sessel Platz.
Nicolas Fouquet stand aufrecht vor seinem König und vollführte – wie es die Etikette vorschrieb – drei tiefe Verbeugungen, wobei die Feder seines Huts den Boden streifte. Der König nickte auffordernd.
»Ich habe die Worte Eurer Majestät während der Sitzung des Staatsrats, der auf das Ableben Seiner Eminenz folgte, sehr wohl vernommen, und wenn ich heute Morgen um eine Unterredung gebeten habe, so ist es wegen einer Angelegenheit, welche die Verwaltung der Finanzen des Königreichs betrifft und mir Kummer bereitet. Ich bin es mir schuldig, dass ich Eurer Majestät die Wahrheit über die Vergangenheit erläutere. Aus einer Notwendigkeit heraus war ich gezwungen, gegen die Vorschriften für die Verwaltung des Schatzamtes zu verstoßen. Eure Majestät haben vielleicht schon davon gehört.«
Erstaunt über das unerwartete Geständnis, heftete Ludwig XIV. den Blick auf seinen Finanzminister, sagte jedoch kein Wort.
»Ihr müsst wissen«, fuhr Fouquet fort, »dass alles, was ich getan habe, mit der uneingeschränkten Zustimmung und unter der alleinigen Verantwortung des Kardinals Mazarin geschah. Wir haben enorme Risiken auf uns genommen, um das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Staates wiederherzustellen, besonders nach der schrecklichen Liquiditätskrise von 1654. Des Öfteren, Sire, habe ich mit meinem privaten Vermögen für die Unterschrift des Königs von Frankreich gebürgt, ohne dass Eure Majestät davon wussten. Heute übernehmt Ihr die Verantwortung für die Regierung des Landes. Es war daher meine Pflicht, Euch die Wahrheit zu sagen. Ich bitte untertänigst um Vergebung für die Verstöße, die im alleinigen Interesse der Finanzen des Königreichs erfolgten. Mein Vergehen ist, dass ich stets mein Bestes geben wollte, um meinen König zu schützen und die Befehle des Kardinals, EuresPaten, wortgetreu auszuführen«, schloss der Oberintendant und senkte den Kopf.
Ludwig XIV. schien von dem Geständnis beeindruckt zu sein.
»In der Tat«, antwortete er, »sind mir gewisse Gerüchte, diverse Geschäfte betreffend, über Euch zu Ohren gekommen. Der Staatsdienst, so wie ich ihn verstehe, erfordert äußerste Strenge. Ich erwarte von meinen Ministern eine beispielhafte Selbstdisziplin. Das Interesse des Königreichs muss von nun an über den persönlichen und familiären Interessen stehen, Monsieur Fouquet.«
»Das sind Sätze, die ich mir nur zu gern zu eigen mache, Sire. Wie oft habe ich sie schon ausgesprochen! Ihr wisst, wie sehr Euer Pate seine Familie liebte. Ihr selbst habt in den letzten Tagen ermessen können, welche Folgen die Gier der Menschen, die uns am nächsten stehen, haben kann, wenn es an die Verteilung des Erbes geht.«
Mit der Anspielung auf Mazarins Testament hatte er, davon war Fouquet überzeugt, ins Schwarze getroffen. Der König kannte die finanziellen Manipulationen seines Ersten Ministers genau und noch besser die Rolle, die Colbert gespielt hatte, als es darum ging, zu verschleiern, woher das Vermögen des Italieners stammte. Der König konnte sich ohne weiteres denken, welche Kenntnis Fouquet von den Geschäften Mazarins hatte. War es nicht ein günstiger Moment für ihn, dies alles gemeinsam mit dem Kardinal zu begraben? Der König wusste auch, dass Fouquet ihm niemals einen Dienst versagt hatte. Im Gegenteil, bei zahlreichen Geschäften hatte er dank der Behändigkeit seines Ministers erhebliche Summen verdient.
»Herr Minister«, sagte der König,
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