1661
umständlich darzulegen begann, dass er für sich selbst gar nichts wollte. Wie gern würde ich sie zertreten; wie zum Teufel konnte der Kardinal sie bloß ertragen? Und welche Schwäche von Fouquet, dass er sie unterstützt! Immerhin wird mir der Kunsthandel, bei dem ich dank der Schirmherrschaft über die Akademie der Künste das Monopol habe, die Möglichkeit verschaffen, Geld zu verdienen! Doch das hier, die Jeremiaden eines Gauklers. Wenn er nur endlich zur Sache kommen würde.
»Schon gut, Monsieur«, unterbrach er ihn. »Ihr möchtet also Intendant der Musik werden? Ich habe Eure Bitte vernommen, ich werde sie wohlwollend im Auge behalten und bei Seiner Majestät ein Wort für Euch einlegen.«
Verärgert zog Colbert seine Hand zurück, als Lully sie ergreifen wollte.
»Das wird allerdings ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Ich muss den Eid auf meine neuen Ämter schwören. Im Übrigen werden die Angelegenheiten des Kardinals, die zu regeln ich beauftragt bin«, sagte er mit geschwellter Brust, »meine Tage weitgehend ausfüllen. Doch seid unbesorgt, ich werde mich der Sache annehmen.«
Lully öffnete den Mund, um sich zu bedanken, doch Colbert kam ihm zuvor.
»Dankt mir nicht, Monsieur, bevor die Dinge geregelt sind. Ich verlange von Euch im Übrigen nichts dafür, nur dass Ihr mir die Treue haltet …«
Lully nickte heftig mit dem Kopf.
»… und zwar un-ein-geschränkt«, vervollständigte Colbertseinen Satz und sah dem Italiener in die Augen. »Wir haben uns verstanden, nicht wahr?«
Der Musiker stimmte noch einmal zu und senkte den Blick.
Als Lully gegangen war, war Colbert die Genugtuung anzusehen. Wieder einer. Ein kleiner, aber immerhin. Der Nächste wird besser sein, sagte er sich mit gieriger Miene.
»Denkt daran, Monsieur Molière so schnell wie möglich rufen zu lassen«, erinnerte Colbert Toussaint Roze, der den Musiker hinausgeleitet hatte und soeben zurückgekommen war. »Am besten noch vor meiner Abreise nach Fontainebleau, wo ich in Kürze den König treffe«, fügte er hinzu.
Es gelang ihm nicht, die Überheblichkeit in seiner Stimme zu unterdrücken. Freude und Grausamkeit funkelten nun noch stärker in seinen Augen.
»Ist er schon da?«, erkundigte er sich dann und warf noch einmal einen Blick auf das Blatt mit seinen Terminen.
Und als Roze nickte, befahl Colbert:
»Lasst Monsieur Everhard Jabach eintreten!«
Schloss Fontainebleau
Montag, 14. März, elf Uhr morgens
Fouquet hasste sein Arbeitszimmer, das im Gebäude der Oberintendanz der Finanzen lag. Es war unter Ludwig XIII. erbaut worden und grenzte an den Officium-Hof, der sich in unmittelbarer Nähe des Hauptgebäudes von Schloss Fontainebleau befand. An diesem späten Vormittag war er endlich mit den langweiligen Unterschriften fertig. Das letzte zu prüfende Schriftstück betraf eine Entscheidung, die der König amVortag getroffen hatte. Die Kirche Saint-Louis von Fontainebleau sollte in eine unabhängige Gemeinde umgewandelt und dem Missionsorden der Lazaristen zugeteilt werden.
Also wirklich, sagte sich der Oberintendant, der König kümmert sich jetzt tatsächlich um alles. Und ich werde zum Buchhalter einer Pfarrgemeinde gemacht! Als er die elf Schläge der großen Uhr vernahm, welche die Fassade des in der Nähe gelegenen Hôtel d’Albret schmückte, unterbrach Nicolas Fouquet seine Arbeit. Die Stunde seiner Audienz mit Ludwig XIV. rückte heran, und er musste sich unverzüglich auf den Weg machen.
Zum ersten Mal war der König im Alter von sechs Jahren nach Fontainebleau gekommen. Er besuchte das Schloss mit Vorliebe, um den Beschwernissen der Etikette am Pariser Hofzu entfliehen. Sicher wünschte Ludwig XIV. sich von der Erschütterung und Trauer über den Tod seines Paten abzulenken und hatte sich daher beeilt, die notwendigen Vorkehrungen für seine Abreise aus Paris zu treffen. Er hatte sogar entschieden, sich in Fontainebleau einzurichten, während sich ein großer Teil des Mobiliars, das bei jedem königlichen Aufenthalt mitgeführt wurde, noch in Paris befand. Er war am Vortag angekommen und hatte an diesem späten Vormittag bereits seine Jagdkleidung angelegt; die Handschuhe steckten gefaltet am stattlichen Ledergürtel, aus dem sein Lieblingsjagdmesser hervorragte. Mit dieser Klinge, ein Geschenk Mazarins zu seinem dreizehnten Geburtstag, hatte er im nahe gelegenen Wald die schönsten Hirsche erlegt. Als Fouquet, dem Ersten Kammerdiener des Souveräns folgend, Ludwigs Gemächer
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