1664 - Die Schöne und die Grausame
gehörte zu den Menschen, die nur selten rauchten. Jetzt befand er sich in einer Situation, in der ihm eine Zigarette gut tun würde. Er steckte sich ein Stäbchen an, setzte sich an seinen Schreibtisch und starrte das Telefon an, als könnte er es rein durch Gedankenkraft dazu bringen, sich zu melden.
Das trat nicht ein. Und so schaute er den Rauchwolken nach und dachte intensiv an Elena King. Er konnte sie einfach nicht vergessen. Bei ihm hatte es regelrecht eingeschlagen, und das hatte sich nach den Vorfällen der letzten Stunden nicht abgeschwächt. Zudem hatte Elena ihm mehrmals bewiesen, dass er ihr ebenfalls nicht gleichgültig war.
»Ich will nicht allein bleiben!«, flüsterte er scharf und drückte die Kippe aus. »Ich will sie wiedersehen. Ich will aus ihrem eigenen Mund erfahren, ob sie mich noch will oder nicht. Und es ist mir völlig egal, dass sie so eine Schwester hat.«
Das meinte er auch so. Nur tief in seinem Innern wusste er auch, wie gefährlich diese Tabea war. Er hatte an sie gedacht und erlebte nun, dass die Erinnerung an sie den Gedanken an Elena verdrängte. Ihm wurde wieder bewusst, was sich hier vor Kurzem zugetragen hatte, und das war kein Spaß gewesen.
Erste Zweifel krochen in ihm hoch. Vielleicht war es doch besser, wenn er von Elena abließ. Das kam seiner Sicherheit sehr entgegen, denn er wollte normal weiterleben und nicht als blutleeres Geschöpf.
Genau in diesen Gedankenstrom hinein meldete sich bei ihm das Telefon. Er musste nur den Arm ausstrecken, um es von der Station zu nehmen.
»Ja…«, meldete er sich.
»Ich bin es!«
Das Blut schoss Tim Helling in den Kopf, als er Elenas Stimme hörte. »Hörst du mir noch zu?«
»Ja, ja…«
»Tut mir leid…«
»Ach was.«
»Bist du mir noch böse?«
Tim Helling schloss die Augen. Allein der Klang der Stimme hatte ihn weich werden lassen. Sie zu hören war für ihn wie die schönste Musik. Einiges von dem, an das er vorhin noch gedacht hatte, war vergessen. Jetzt gab es nur noch sie und ihre wunderbare Stimme. Sein Herz schlug schneller. Das Blut war ihm in den Kopf gestiegen, und er musste sich schon zusammenreißen, um normal sprechen zu können.
»Nein, nein, ich bin nicht böse.«
»Ehrlich nicht?«
»Du musst es mir glauben. Du kannst ja nichts dazu, es ist deine Schwester gewesen, die so reagiert hat. Du bist anders, ganz anders, das habe ich gespürt.«
»Danke, dass du so denkst. Du hast recht mit dem, was du gesagt hast. Ich mag dich nämlich auch.«
»Das ist toll.« Er musste schlucken. Ihm lagen auch zahlreiche Fragen auf der Zunge, doch er wusste nicht, wie er anfangen sollte, und wollte auch nichts Falsches sagen.
»Vermisst du mich?«
Tim lachte leise auf, bevor er sprach. »Vermissen ist nicht der richtige Ausdruck. Ich sehne mich nach dir. Ich kann dir gar nicht sagen, wie stark dieses Gefühl in mir ist. Das ist kaum zu beschreiben.«
»Es tut gut, das zu hören.«
»Und vermisst du mich auch?«, flüsterte er.
»Ja, sehr sogar.«
Das hatte Tim hören wollen. Sein Herz schlug noch schneller. Dabei hatte er das Gefühl, auf einer Wolke zu schweben, die ihn wegtrug. Es musste einfach das Gefühl der Liebe sein, das ihn regelrecht überschwemmt hatte.
»Und was machen wir?« Tim Helling lauerte gespannt auf die Antwort. Er erhoffte sich etwas und wartete ab, ob dies auch eintrat. Seine Hände hatte er geballt, und hinter seiner Stirn spürte er die ersten Stiche.
Dann hörte er die Antwort. Und sie haute ihn fast um.
»Ich möchte dich sehen, Timmy!«
Nein, er konnte nichts sagen. Sein Blut schoss hoch in den Kopf. Für wenige Sekunden bewegte sich alles in seiner Umgebung. Er schien auf den Planken eines schwankenden Schiffs zu hocken und musste diese Antwort erst verkraften.
»He, sag doch was!«
»Ja, ja, Elena, ich bin nur überrascht.«
»Freust du dich denn nicht?«
»Und wie ich mich freue. Ich finde kaum Worte. Es ist wie in einem Rausch.«
»Dann sollten wir das so schnell wie möglich in die Tat umsetzen.«
»Noch an diesem Abend?«
»Was hast du denn gedacht? Natürlich an diesem Abend. So weit bin ich nicht von dir entfernt. Du wirst mich zwar nicht zu Fuß erreichen können, aber du kannst dir ein Taxi nehmen. Dann bist du bald bei mir.«
Tim nickte, obwohl seine Freundin das nicht sah. »Ja, ich komme. Aber wohin?«
»Du weißt, dass wir Puppenspielerinnen sind?«
»Ja.«
»Ich habe dir noch nicht gesagt, dass wir ein kleines Theater gemietet haben. Nun ja, eigentlich
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