1667 - Gefangene der Pharaonen
die erste Pause, aber die brauchen die Künstler. Sie müssen sich nicht nur erholen, sie erhalten auch eine neue Schminke, wenn es nötig ist.«
»Dennoch müssen wir mit ihnen reden.«
»Sagen Sie die Namen.«
Diesmal sprach Suko. Er hatte sich von der Tür gelöst und kam auf uns zu. »Cleo und Echem.«
Susan legte den Kopf zurück. Sie öffnete weit den Mund und fing an zu lachen. Es klang nicht fröhlich, eher wissend. Da hörten wir, dass dies erst recht unmöglich war, denn beide Akteure brauchten die Pause nach ihren anstrengenden Auftritten.
»Darauf werden wir wohl keine Rücksicht nehmen können, fürchte ich.«
Die Maskenbildnerin hatte sich wieder gefangen. Nahezu böse schaute sie uns an.
»Wer sind Sie eigentlich, dass Sie sich so etwas herausnehmen?«
»Scotland Yard«, sagte Suko.
Susan sagte nichts mehr. Sie schluckte nur und wurde etwas blass. Nicht mal unsere Ausweise wollte sie sehen, dafür fragte sie: »Sind Sie gekommen, um jemanden zu verhaften? Etwa Cleo und Echem?«
»Nein, das sind wir nicht. Wir sind nur gekommen, um mit ihnen zu reden.«
Susan senkte den Blick und winkte ab. »Das wird ein Problem werden. Ich kenne die Künstler. Sie sind nach jedem Auftritt noch immer voll dabei, und es wird schwierig sein, sie mit der realen Welt zu konfrontieren. Da ist es besser, wenn Sie den Schluss der Vorstellung abwarten.«
»Das können wir leider nicht.«
»Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
»Doch«, sagte ich.
»Und wie?«
»Indem Sie uns erklären, wo sich die Garderoben der beiden Akteure befinden.«
»Sie sind schon da.«
»Ach? Hier?«
»Genau, denn ich bin hier, um mich in der Pause um sie zu kümmern.«
»Dann können wir ja bleiben.«
Die Maskenbildnerin sagte nichts. Ihr war anzusehen, dass ihr der Fortgang nicht gefiel. Sie ging auf einen freien Stuhl zu und ließ sich darauf nieder. Zu sagen hatte sie nichts mehr, und so hörten wir, dass der erste Akt des Musicals vorbei war, denn auch hier gab es Lautsprecher, und sie übertrugen den Beifall des Publikums.
Es konnte nicht mehr lange dauern, bis wir Besuch erhielten. Danach richteten wir uns auch, denn wir stellten uns so hin, dass wir nicht sofort gesehen werden konnten. Im toten Winkel der Tür bauten wir uns auf. Das war zwar kein Versteck, weil wir uns in der Spiegelfläche abzeichneten, aber es war besser, als sich frontal hinzustellen. Bisher war es auf dem Flur ruhig gewesen. Das stimmte jetzt nicht mehr, denn plötzlich waren hinter der Tür zahlreiche Geräusche zu hören. Sie setzten sich aus Stimmen, Schritten, Singsang und auch Lachen zusammen. Es musste sich um die Mitglieder des Balletts handeln, die zu ihren Garderoben eilten.
Ich dachte für einen Moment an Jane und Shao, die sich über unser Wegbleiben bestimmt wundern würden.
Noch kam Cleo nicht. Auch Echem ließ sich nicht blicken. Das musste nichts zu bedeuten haben. Bestimmt waren sie wegen des Beifalls als Letzte auf der Bühne geblieben.
Dann wurde die Tür aufgestoßen. Ohne anzuklopfen, stieß sie jemand nach innen. Eine junge Frau in ihrem Leinenoberteil lief schwankend in die Garderobe. Zuerst sah sie uns nicht. Dann fiel ihr Blick in den Spiegel. Sie sah die beiden fremden Männer, erstarrte für einen Moment - und schrie dann…
***
Wir hatten ihr den Schock versetzt. Ob allein durch unsere Gegenwart oder meinen Anblick, das wussten wir nicht. Jedenfalls stand sie da, ohne sich zu rühren, nachdem ihr Schrei verklungen war.
Noch drehte sie sich nicht um. Sie schaute in den Spiegel, in dem auch wir sie sahen und erkannten, dass sich ihre Augen bewegten und sie den Blick so richtete, dass er mich traf.
»Ich kenne Sie!«
»Ja, wir haben uns schon mal gesehen.«
»Es war im Restaurant.«
»Genau.«
Bisher hatte sich nichts an ihr bewegt. Nun aber zuckten ihre Finger, und sie schloss die Hände zu Fäusten. Ihr Gesicht, von der Anstrengung des Auftritts noch gerötet, verlor die Farbe, und es war sogar trotz der Schminke zu sehen, dass sie bleich wurde. Dann endlich drehte sie sich um. Suko existierte für sie nicht, auch Susan war ihr egal, sie konzentrierte sich ausschließlich auf mich und starrte mich an. Es war ein Blick, der sich schwer deuten ließ. Sehr kalt, auch irgendwie lauernd und zugleich ängstlich.
»Ich möchte gern mit Ihnen reden, Cleo.«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, das will ich nicht. Gehen Sie. Hauen Sie einfach ab. Ich - ich kann es nicht ertragen. Lassen Sie mich in Ruhe!«
Weitere Kostenlose Bücher