1667 - Gefangene der Pharaonen
Side Story denken, doch dieses Auspeitschen war etwas, das mir nicht gefiel.
Cleo legte ihre Hände zusammen und hob sie an. »Bitte nicht schlagen«, flüsterte sie.
»Ich kann nichts dafür und…«
Ob sie weitersprach, war nicht zu hören, denn in diesem Augenblick setzte dumpfer Trommelwirbel ein.
Der Hohepriester schlug zu. Die Peitschenschnur huschte durch die Luft. Wer weiter hinten saß, konnte sie durchaus für normal halten. Das war sie nicht, denn ich sah es besser. Es handelte sich um einen Samtbelag, aber Cleo reagierte perfekt. Sie duckte sich, sie riss ihre Hände hoch, um den Kopf zu schützen, und wurde an den Armen getroffen.
Der Hohepriester lachte. Er war in seinem Element und wollte nicht mehr aufhören, aber es war auch zu sehen, dass er einige Male daneben schlug. Dann war Schluss. Cleo hing in der Kette. Sie war gedemütigt worden, das zeigte auch ihre Haltung. Schluchzlaute waren zu hören, überdeckt vom kalten Gelächter des Mannes, der zur Seite trat und bis an den Rand der Bühne ging.
Dort blieb er stehen. Seine Hände spielten mit der Peitsche. Er drehte sich um, warf der Gequälten einen Blick zu und lachte immer noch.
Es wurde wieder von Musik untermalt, und zugleich begann der erneute Monolog. Es wurde so etwas wie eine Arie, nur dass keine Frau sie sang wie in der Zauberflöte, sondern dieser Hohepriester, der dabei auf und ab schritt, seine halb gesprochenen, halb gesungenen Worte mit drohenden Gesten unterstrich und dabei den Pharao verfluchte, der sich nicht um seine Tochter kümmerte.
Drei Tage Galgenfrist hatte der Hohepriester ihm gegeben. Wenn er dann nicht reagiert hatte, würde seine Tochter sterben.
Die rührte sich auch wieder. Sie veränderte ihre Sitzhaltung und drehte sich dem Publikum zu. Wer gedacht hätte, dass sie stumm bleiben würde, der irrte sich. Es war perfekt inszeniert, denn der Sprechgesang des Echem verlor an Intensität. Er wurde leiser, und so konnte sich auch die Frau wieder bemerkbar machen, denn sie sang in den Monolog hinein.
Der eine wollte Rache. Die andere flehte darum, aus ihrem Gefängnis befreit zu werden, und so entstand ein sehr schönes Duett.
Beide Sänger steigerten sich wieder, bis sich die Stimmen zu einem Finale trafen, in das die beiden Akteure noch einmal alles hineinlegten, was sie an Stimmkraft zu bieten hatten.
Dann war es vorbei!
Schluss. Pause. Das Anhalten der Luft. Nicht nur bei den Sängern, auch beim Publikum. Beide mussten sich erholen. Die Akteure auf der Bühne konnten das inmitten eines regelrechten Beifallsturms. Auch Suko und ich klatschten. Shao und Jane waren sogar aufgesprungen und spendeten begeisterten Applaus. Wieder stieß mich Suko an. »Und? Was ist deine Meinung?«
»Gutgemacht.«
»Und weiter?«
Ich hob die Schultern. »Was meinst du damit?«
»Wie schätzt du die beiden ein? Sind es normale Menschen oder steckt mehr hinter der Fassade?«
»Diese Frau hat seltsam reagiert. Und nicht alle, die auf der anderen Seite stehen, müssen so aussehen.«
»Klar.«
Der Applaus war abgeebbt. Cleo hatte sich wieder gefangen. Nahezu fiebrig starrte sie den Hohepriester an, blickte dabei aber auf dessen Rücken, denn er selbst stand am Bühnenrand und schien sich plötzlich für das Publikum zu interessieren, besonders für die erste Reihe und speziell für Zuschauer, die ziemlich in der Mitte saßen. Wie Suko und ich.
Uns galt sein Blick.
Ich schaute zurück - und erlebte eine große Überraschung. Über den Zeichen in der Kreuzmitte erlebte ich einen Wärmestoß, und ich wusste sofort, von wem er stammte. Das Allsehende Auge war aktiviert worden!
***
War das schon der Augenblick der Wahrheit?
Ich wusste es nicht hundertprozentig, doch es stand fest, dass dieser Mensch auf der Bühne durchaus etwas mit der anderen Seite zu tun haben konnte. Oder auch die Frau, die hier die Gefangene spielte. Das alles hing noch in der Schwebe. Zwar überspielte ich von der Mimik her meine inneren Gefühle, aber Suko besaß eine gute Beobachtungsgabe. Er hatte schon etwas bemerkt, auch wenn ich nur für einen Moment starr gesessen hatte.
»Was stört dich?«, flüsterte er mir zu.
»Echem.«
»Und warum?«
»Ich habe eine Reaktion erlebt«, flüsterte ich, »und zwar an einer bestimmten Stelle des Kreuzes.«
Suko war niemand, den man erst mit der Nase auf etwas stoßen musste. Er brauchte nicht lange nachzudenken und sagte nur: »Das Allsehende Auge vielleicht?«
»Genau.«
Suko hielt den Mund, aber er
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