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1668 - Wolfsnacht

1668 - Wolfsnacht

Titel: 1668 - Wolfsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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zugreifen, aber Helen wich einen schnellen Schritt zurück, sodass er ins Leere fasste.
    »Nein«, flüsterte sie, »nein, ich will nicht!«
    »Du kannst nicht anders.«
    Die Antwort war ihm glatt über die Lippen gekommen. Helen hatte sie auch verstanden, aber es war zu hören gewesen, dass Englisch nicht die Muttersprache des Mannes war.
    »Nein, nein…«
    »Ich nehme dich mit!«
    »Das will ich nicht.«
    »Du kannst dich nicht weigern.«
    Helen wusste, dass er recht hatte. Dennoch schaute sie sich um. Sie suchte nach einem Fluchtweg. Schon einmal war sie ihm entkommen, und sie wollte dies wiederholen. Allerdings hörte sie hier keinen Pfiff. Sie fühlte sich hier vor der Mühle wie der einsamste Mensch auf der Welt, aber sie hatte ihr Fahrrad gesehen, das in der Nähe lehnte. Der Mann mit dem harten Grinsen und den langen schwarzen, ungepflegten Haaren schien darauf zu warten, dass Helen etwas tat. Tatsächlich floh sie nicht. Dabei verstand sie sich selbst nicht mehr. Bei ihr schien etwas ausgesetzt zu haben. Jetzt gab es nur das Handeln, verbunden mit dem Versuch, Zeit zu gewinnen. Sie lief auf die Gestalt zu und trat so heftig, wie sie konnte, zwischen seine Beine. Was weiter mit ihm geschah, sah sie nicht. Sie hörte einen wütenden Schrei, da war sie schon bei ihrem Fahrrad, riss es an sich, schob es zwei Meter weiter, damit es den nötigen Schwung bekam, und schwang sich in den Sattel.
    Und dann gab es nur eines für sie. Weg von hier. Weg von der Mühle. So viel Distanz wie möglich gewinnen. Sich nur nicht von diesem furchtbaren Typen einholen lassen. Sie fuhr, sie trat hart in die Pedale. Sie nahm den unebenen Boden gar nicht wahr. Sie wollte nur so schnell wie möglich verschwinden und drehte sich auch nicht um. Aber sie wusste auch, dass die andere Seite nicht aufgeben würde, und hörte das harte Lachen, das sie stoßweise erreichte und dabei immer lauter wurde. Sie bekam es mit der Angst zu tun, denn jetzt wusste sie, dass der andere aufholte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie einholte und zu packen bekam. Vor sich sah sie eine Querrinne. Sie musste darüber hinweg. Das Fahrrad machte einen Sprung und auf der anderen Seite geriet es ins Rutschen, weil der Boden dort feucht war.
    Verzweifelt bemühte sich Helen, ihr Rad wieder unter Kontrolle zu bekommen. Es gelang ihr nicht mehr. Sie fiel nach links, hörte sich schreien und landete auf dem Boden.
    Aus! Es war alles aus!
    Das Rad rutschte weg. Sie selbst blieb auf der Stelle liegen, und dann war nichts mehr so, wie es hätte sein sollen, denn in ihrer Nähe hörte sie einen Laut, den sie hassen musste.
    Der Mann war da.
    Sein Schatten fiel über sie.
    Helen schaute hoch.
    Das widerliche Gesicht grinste sie an. Sie hatte mit einer Verwandlung gerechnet, aber die war nicht eingetreten. Er sah weiterhin aus wie ein wilder Mann, dessen Beine in einer Lederhose steckten und dessen Oberkörper unter einer Jacke verborgen war. Sein Atmen war ein schweres Keuchen, als er sich über sie beugte. In ihrer Verzweiflung streckte ihm Helen beide Hände entgegen, was nichts brachte. Er wischte sie weg.
    Und dann schlug er ihr zweimal ins Gesicht. Einmal rechts, dann links. Sie hatte das Gefühl, ihre Wangen würden anfangen zu brennen. Tränen schössen ihr aus den Augen. Sie verschlechterten ihre Sicht, und plötzlich war ihr Widerstand gebrochen.
    Helen hatte den Eindruck, innerlich zusammenzusacken. Sie musste sich dieser widerlichen Gestalt voll und ganz hingeben, sie konnte nichts mehr gegen dieses Wesen unternehmen. Es war vorbei. Der Mann hatte erreicht, was er wollte.
    »Steh auf!«
    Zwar hatte sie die Aufforderung gehört, war aber nicht in der Lage, ihr zu folgen. Innerlich und äußerlich war sie fertig. Dafür hatte dieser Angriff gesorgt. Er hob sein Bein. Es sah so aus, als wollte er Helen treten, und sie versuchte, ihn davon abzuhalten.
    »Ich kann es nicht, ehrlich…«
    Er zog das Bein zurück. Vor ihr blieb er stehen und schaute auf sie nieder. Helen rechnete mit einer Verwandlung in die Bestie, aber das geschah nicht. Dann nickte er ihr zu, bückte sich und schob seine Hände und einen Teil der Arme unter ihren Körper. Ein Ruck reichte aus, und sie schwebte über dem Boden. Wie ein Kind hob er sie an. Sie lag auf seinen Armen. Ihr Kopf hing dabei nach hinten. So konnte sie ihn nicht sehen. Als er losging, wippte sie auf und ab, bis zu dem Zeitpunkt, als er sich für eine andere Trageart entschloss. Er wuchtete sie hoch und schleuderte

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