1675 - Der Kopfjäger
Ich wusste wirklich nicht, was ich dazu sagen sollte. Das brachte schon ein Teil meines Weltbildes durcheinander.
»Suko soll also um der Sache willen geopfert werden?«
»Danach sieht es aus.«
»Da kann man nichts machen? Worum geht es diesen Typen denn? Was ist so wichtig, dass sie einen Menschen opfern? Dazu noch einen Polizisten, einen Mann des Gesetzes.«
»Das ist in diesem Fall ausgehandelt worden. Man hat es mir klar und deutlich zu verstehen gegeben.«
Ich hatte alles gehört, aber ich begriff es nicht. Ich wollte es einfach nicht begreifen, das war mir zu hoch. Das hatte ich noch nie erlebt. Eine Frage brannte mir auf der Seele.
»Wie haben Sie reagiert, Sir?«
Hinter den Gläsern seiner Brille wurde der Blick meines Chefs starr. »Ich habe beim ersten Anruf sehr schroff reagiert und erklärt, dass wir uns auf so etwa nicht einlassen werden.«
»Wurde es akzeptiert?«
»Das dachte ich.« Sir James legte seine Stirn in Falten. »Dann erreichte mich der zweite Anruf. Man kann ihn ruhig als eine Drohung ansehen. Wie schon erwähnt, er kam von ganz oben aus dem Ministerium. Man legte mir meinen Rücktritt nahe, wenn ich nicht konform gehe.«
»Was haben Sie gesagt?«
»Was hätte ich sagen sollen? Ich habe zugestimmt.«
Nach dieser Antwort war ich enttäuscht und das zeigte sich wohl auch auf meinem Gesicht. Sir James aber verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln.
»Und wie geht es jetzt weiter?«
Das Lächeln blieb. »Wir sind offiziell raus, John, daran kann man nichts machen.«
»Es gibt ein Aber?«
»Darüber habe ich nachgedacht. Natürlich machen wir weiter. Oder Sie. Ich halte mich raus, gebe Ihnen aber freie Bahn. Sie müssen Suko finden. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben, die Sie je übernommen haben, John.«
»Das stimmt wohl.« Mein Kaffee wurde kalt. Ich schüttelte den Kopf und fragte halblaut: »Was ist dieser anderen Seite nur so wichtig an Suko? Wissen Sie das?«
»Nein!«
»Können Sie es erraten?«
»Auch nicht, John.«
Ich ballte vor Wut meine Hände zu Fäusten. »Wir beide sind überfallen worden. Wurden ausgeschaltet, aber man hat nur Suko mitgenommen. Warum nicht auch mich?«
»Vielleicht waren Sie ihnen nicht wichtig.«
»Kann ich mir kaum vorstellen.«
»Doch, John. Vergessen Sie nicht, dass es sich nicht um einen Angriff irgendwelcher Schwarzblüter handelt. Hier spielen ganz andere Faktoren eine Rolle. Ich gehe davon aus, dass dieses seltsame Monster eine große Macht ist.«
»Warum?«
Sir James lehnte sich zurück. »Man hat ja sehr geheimnisvoll getan. Mir wurde es nicht verraten, aber ich kann mir denken, dass es sich dabei um ein geheimes Projekt handelt.«
»Vom Verteidigungsministerium?«
»Oder von einer mit ihm verwandten Organisation, die sehr, sehr geheim ist.«
»Dann muss man davon ausgehen«, sagte ich, »dass Suko in eine geheime Aktion geraten ist. Es fragt sich nur, worum es sich da handelt.«
»Das muss mit diesem Monster zusammenhängen.«
So dachte ich auch. Aber einen Grund konnte ich mir nicht vorstellen, es sei denn, man überwand die Brücken des Normalen und begab sich in eine Welt, auf die Suko und ich spezialisiert waren.
»Ich könnte mir vorstellen, Sir, dass eine gewisse Truppe sich mit bestimmten Experimenten beschäftigt hat. Oder sehen Sie das anders?«
Er lächelte. »Nicht schlecht gedacht, John.«
»Und das Monster?«, fragte ich weiter und senkte dabei meine Stimme. »Kann es eine Folge dieses Experiments gewesen sein? Das wäre ja nichts Neues. Ich denke nur an Carlotta, das Vogelmädchen.«
»Dahin gehen meine Vermutungen ebenfalls.«
»Dann kann ich mir gut vorstellen, dass niemand etwas davon erfahren soll, Sir.«
Der Superintendent nickte. »Ich glaube, John, da muss ich Ihnen recht geben.«
»Und Suko ist zwischen die Mühlsteine geraten. Wenn alles so geheim ist, werden sie ihn nicht freilassen. Dann wird er auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«
Sir James schwieg. Es waren harte Worte, die wir beide verdauen mussten, aber Sir James kam noch auf etwas Wichtiges zu sprechen. »Wenn alles so geheim ist, warum hat man dann dieses Wesen durch London laufen lassen? Und dies nicht nur einmal?«
Die Frage war mehr als berechtigt.
»Wissen Sie eine Antwort, John?«
»Nein. Bei aller Fantasie, da kann ich mir nichts Konkretes vorstellen, sorry.«
»Dann haben wir nichts, wo wir ansetzen können. Denn die andere Seite mauert.«
Ich versuchte es noch mal. »Sir, Sie sind ja nicht irgendwer. Sie haben
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