1677 - Strippen für den Teufel
sie hatte nicht mehr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten.
Drei Schritte schaffte sie noch, dann brach sie zusammen, als hätte ich ihr die Beine unter dem Körper weggezogen. Plötzlich lag sie da und tat nichts mehr. Sie kam nicht mehr hoch, sie kroch nicht weiter, sie lag nur bewegungslos da. Da sie auf den Bauch gefallen war, sah ich ihr Gesicht nicht. Dafür trat Suko an meine Seite und gemeinsam drehten wir Susan auf den Rücken.
Sie lebte noch.
Doch wie sie lebte, konnte man das Wort vergessen. Das Kreuz hatte ganze Arbeit geleistet. Das Gesicht, das sowieso schon nicht mehr normal ausgesehen hatte, sah jetzt noch schlimmer aus, denn die Haut war dabei zu verfaulen. Es kam mir beinahe vor wie die endgültige Vernichtung eines alten Vampirs. Die Lippen verschwanden, die Haut in der Nähe rollte sich regelrecht auf, und so trat das zum Vorschein, was sich darunter verborgen hatte.
Blut, zusammen mit einer hellen Flüssigkeit.
Ich schaute in die Augen!
Der Blick war da, aber es gab kein Leben mehr in ihm. Noch zuckten die Hände, auch der Kopf erhob sich und schlug wieder zurück. Es hörte sich auf dem Boden an, als wäre eine Nuss zersprungen, und das war das letzte Geräusch, das wir von Susan Adams hörten.
Nicht das ganze Gesicht hatte sich verändert, nur in der unteren Hälfte hatte sich die Haut aufgerollt, und ich drehte mich zur Seite, weil ich nach Suko und Linda Adams schauen wollte.
Sie standen zusammen. Nur hatte sich Suko so aufgebaut, dass Linda gegen ihn blickte und nicht ihre am Boden liegende Tochter sah.
»Was ist denn mit Susan? Sagen Sie doch etwas, lassen Sie mich zu ihr - bitte!«
Ich ging zu den beiden und wollte etwas sagen, als Mrs. Adams mich anschaute. Sie sah an meinem Gesichtsausdruck, was geschehen sein musste. Ich brauchte keinen Kommentar mehr abzugeben.
»Ist sie - sie - tot?«
Ich nickte.
Linda Adams sagte zunächst nichts. Sie blieb einfach nur stehen, völlig abwesend. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht, brach zusammen und weinte bitterlich, Suko und ich fingen sie ab und brachten sie zum Bett ihrer Tochter, auf das sie sich setzte.
Wir konnten uns vorstellen, wie es in ihr aussah. Es war schrecklich. Ich fand am Fußende des Betts noch eine zusammengerollte Decke, nahm sie, ging damit zu der Toten und ließ die Gestalt unter der Decke verschwinden. Anschließend bewegte ich mich wieder auf Linda Adams und Suko zu. Die Frau war zu bewundern. Sie hatte intensiv geweint. Jetzt waren die Hände wieder nach unten gesunken und lagen gefaltet in ihrem Schoß. Sie sah gefasst aus, schaute ins Leere und zuckte manchmal zusammen, als wollte sie etwas sagen. Doch dann überlegte sie es sich wieder und hielt lieber den Mund.
Schließlich hatte sie sich durchgerungen und stellte mit bebenden Lippen eine Frage, die aus zwei Worten bestanden.
»Warum? Wieso?«.
Darauf konnten Suko und ich ihr keine Antwort geben. Sie kannte ihre Tochter besser, und deshalb war es ihr vielleicht möglich, etwas zu sagen.
»Wir haben Ihre Tochter nur für eine kurze Zeitspanne gekannt«, sagte ich mit leiser Stimme. »Bei Ihnen ist es anders. Sie haben mit ihr zusammen gewohnt und…«
»Nein, nicht so, Mr Sinclair.«
»Wie dann?«
Sie schaute aus rot umränderten Augen zu mir hoch. »Es ist alles anders. Wir haben zwar zusammen gewohnt, das stimmt schon, aber Susan ist immer ihren eigenen Weg gegangen.« Linda lachte auf. »Tänzerin hat sie werden wollen. Das hat sie auch geschafft, aber nicht so, wie sie es sich vorgestellt hat. Das Theater war ihre Leidenschaft. Die Bühne. Der große Auftritt. Die Primadonna, gefeiert von allen. Leider hat es dazu nicht gereicht. Klar, sie war sehr beweglich, aber ihr fehlte die Disziplin, die man nun mal braucht. Das Tanzen wollte sie nie lassen, und so ist sie dann an die falschen Adressen gelangt. Sie tanzte in Bars, auch in Klubs. Man konnte sie mieten und sie hat dabei sogar recht gut verdient, sodass wir uns finanziell nicht zu beklagen brauchten. Und sie hat auch immer Geld zur Seite gelegt, denn das Tanzen kann man nicht bis in alle Ewigkeiten durchziehen. Da ist man schnell kaputt.«
»Kennen Sie denn die Bars und Klubs, in denen Susan auftrat?«
»Nein.« Sie sah mir in die Augen. »Ehrlich nicht. Dafür habe ich mich nie interessiert. Das war nicht meine Welt. Susan wusste das, hat es respektiert und nicht mit mir über ihren Job gesprochen. Sie war immer froh, wenn sie hier sein und abschalten konnte. Da konnte sie ihren Job
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