1683 - Aus der Hölle entlassen
zudem Hafer zu sich nehmen und auch Heu.
Den Pferden ging es gut. Den Passagieren sicherlich auch, denn sie hatten die Kutsche verlassen und hielten sich bestimmt im Innern der Station auf, um sich zu erfrischen.
Das würde ich bald sehen, denn ich wollte nicht draußen bleiben. Ich war nur vorsichtig und hatte mir vorgenommen, das Haus einmal zu umrunden.
Wald- oder Buschwerk störten mich nicht. Man hatte beides gerodet. An der Rückseite lag ein Abtritt. Ein kleines Holzhaus mit einer schiefen Tür. Der Geruch, der mir von dort entgegenströmte, war nicht gerade etwas für feine Nasen.
Als ich hörte, dass eine Tür geöffnet wurde, zuckte ich zurück. Eine Person blieb auf der Schwelle stehen und kippte aus einer Schüssel Schmutzwasser ins Freie.
Ich wartete die nächsten Sekunden ab, aber es zeigte sich dort kein Mensch mehr. Ich war wieder allein und konnte endlich das tun, was ich mir vorgenommen hatte.
Das Haus hatte noch eine erste Etage. Auch dort sah ich einige Fenster, ebenso wie unten. Das Dach stand so weit vor, dass es einen Schutz gegen Regen bildete.
Die Eingangstür war nicht geschlossen. Aus dem Raum dahinter hörte ich Stimmen, die allerdings normal klangen und nicht aggressiv. Gespannt war ich trotzdem, wen ich antreffen würde. Hinter dem Gasthof standen Pferde auf einer kleinen Koppel.
Das alles sah fast idyllisch aus, und ich hätte es auch so empfunden, wäre mir dieses Bild in meiner Zeit begegnet.
Okay, ich gab mir einen Ruck, ging die restlichen Schritte auf die Tür zu und betrat die Station …
***
Einen Schritt weiter hielt ich an. Viel war nicht zu sehen. Es gab zwar Fenster, durch das Tageslicht fallen konnte, aber durch den Schmutz auf den Scheiben hielt sich diese Helligkeit in Grenzen, sodass vor meinen Augen einiges verschwamm. Besonders die Dinge, die im Hintergrund standen.
Tische und Bänke. Nur ein Teil davon waren belegt. Essensgeruch strömte an meiner Nase vorbei. Ich musste den Kopf nur nach rechts drehen, um die Feuerstelle zu sehen, die sich im Hintergrund des Raums befand. Der Rauch zog durch einen Abzug ab. Eine mit Fleisch gefüllte Pfanne hing über dem Feuer. Dort wurde die Mahlzeit für die Reisenden zubereitet.
Auf mich war man bisher noch nicht aufmerksam geworden, auch nicht der Mann hinter der Theke, der wohl so etwas wie der Wirt oder Besitzer war. Er hatte eine Lederschürze umgebunden und plätscherte in einem Wasserbecken herum.
Ich wandte mich nach links. Dort gab es ebenfalls Sitzgelegenheiten. Nahe einer nach oben führenden Treppe waren sie an der Wand befestigt. Davor standen schmale Tische. Sie waren wohl mehr für Zecher geeignet.
Dort nahm ich Platz und war gespannt, wann man mich entdecken würde. Lange musste ich nicht warten. Aber nicht der Wirt kam zu mir, sondern eine dralle Person, deren Hände ich möglicherweise schon gesehen hatte, als sie eine Schüssel leerte. Sie ging schnell, wollte mich auch passieren – und blieb mitten in der Bewegung stehen. Dabei riss sie sogar noch für einen Moment ihre Arme in die Höhe.
Sie drehte sich so, dass sie mich anschauen konnte, und sie sah mein Lachen.
»Hallo«, sagte ich.
Die Bedienung nickte. Sie hatte ein rundes Gesicht und das rabenschwarze Haar hochgesteckt. Sie trug eine Bluse mit weitem Ausschnitt, ähnlich den Zigeunerinnen in der Oper »Carmen«. Die Bluse war weiß, der Rock schwarz, und sie trat nach meiner kurzen Ansprache einen Schritt zurück.
Möglicherweise hatte sie Angst, denn jemand wie ich passte nicht in diese Zeit.
»Kann ich hier etwas trinken?«
Sie nickte.
Ich lächelte sie an. »Hast du auch einen Namen?«
»Ja, ich heiße Mary.«
»Also gut, Mary. Was kannst du mir anbieten?«
»Wein?«
»Nicht schlecht.«
»Einen weißen und einen roten.«
»Dann nehme ich den weißen.«
»Ja, Sir, natürlich, Sir.«
Sie drehte sich um und ging zur Theke, um die Bestellung auszuführen. Ich blieb zurück und dachte mir meinen Teil, denn ich ging davon aus, dass nicht sie den Wein servieren würde, sondern ihr Chef, denn ein Gast wie ich passte nicht hierher.
So war es auch.
Der Gastwirt kam. Ein Mann mit langen schwarzgrauen Haaren. Er hielt einen Krug in der Hand und in der anderen einen Becher. Er ließ sich Zeit mit dem Näherkommen, denn er wollte mich auf dem Weg zu mir erst mal genau betrachten.
Das Alter des Mannes war schlecht zu schätzen. Zudem sah sein Gesicht ziemlich wüst aus. An den Wangen waren einige Narben zu sehen und die Nase hatte
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