1683 - Aus der Hölle entlassen
großen Spaß.«
Mary konnte nichts sagen. Sie nickte nur, aber ihr Gesicht war blass geworden.
Ich saß noch immer im Hintergrund und spielte den Beobachter. Dass diese Bande sich nicht mit einer Frau zufriedengeben würde, davon ging ich aus. Auch unter den Passagieren befanden sich zwei Frauen. Noch hatte kein Mitglied der Bande reagiert, aber ich glaubte nicht, dass dies so bleiben würde.
Mary hatte sich hinsetzen müssen. Moreno spielte den starken Mann und ging in die Richtung, wo sich die vier Passagiere aufhielten.
»He, Blondchen, du musst dich nicht verstecken, ich kriege dich doch. Komm her, ich will dein junges Fleisch spüren.«
»Nein, tun Sie das nicht!«
Die andere Frau hatte geantwortet. Sie war aufgestanden und stellte sich schützend vor die Jüngere.
»Hast du auch was zu sagen, du Schlampe?«
»Nicht Eva, sie ist meine Tochter. Sie ist noch keine sechzehn Jahre alt.«
»Umso besser. Das frische Fleisch mag ich am liebsten. Ich werde sie mir holen.«
Ich hatte alles mitbekommen und wusste, dass ich mich nicht mehr länger still verhalten konnte. Irgendjemand musste ihnen Grenzen setzen. Die beiden männlichen Passagiere trauten sich nicht, als Moreno bei ihnen auftauchte.
Er meinte es ernst, denn er hatte seinen Degen gezogen. Sollte es Widerstand geben, würde er ihn blutig ersticken.
Es gab Widerstand. Allerdings von der Mutter. Sie stieß eine Verwünschung aus und stellte sich schützend vor die Tochter, während der Vater unablässig mit seinem Schweißtuch über das Gesicht fuhr.
»Ihr werdet sie nicht nehmen.«
Andreas Moreno lachte. »Dich auch noch.«
»Nur über meine Leiche!«
Ich schrak leicht zusammen, als ich diesen Ausspruch hörte. Ihn in diesem Zusammenhang zu erwähnen war schon riskant, denn einem Mann wie Moreno war alles zuzutrauen.
Sekunden verstrichen, in denen niemand etwas sagte. Bis Moreno wieder das Wort ergriff.
»Na gut«, sagte er und schlug zugleich mit seinem Degen zu.
Es war wirklich ein Schlagen und kein Stechen. Genau das hatte er gewollt.
Über das Gesicht der Frau lief diagonal ein dünner Blutfaden. Die Verletzte war so geschockt, dass sie nicht mal schreien konnte. Sie stand starr vor dem Mann, der seine Waffe wieder gesenkt hatte und vor Eva trat.
Er packte zu, als die Mutter anfing zu schreien. Das tat auch Eva. Sie schrie ebenfalls, und Moreno fluchte. Dann schlug er ihr mit dem Handrücken über den Mund. Das junge Ding verstummte, und der Mann riss sein Opfer an sich.
Er lachte dabei. Der Vater stand da und zitterte. Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht. Niemand griff ein. Auch Edgar, der Wirt, hielt sich zurück.
Moreno schleuderte die junge Frau herum. Dann ließ er sie los. Durch den Schwung stolperte sie vor, und zwar dorthin, wo sich niemand befand. Sie hatte ihre Arme vorgestreckt, weinte, und ihre Sicht war verschwommen.
Dann gaben ihre Beine nach und sie wäre gefallen, aber einer der Männer griff zu, ohne sie festzuhalten. Er drückte sie nur weiter und gab ihr noch mal Schwung.
Sie prallte gegen den Tisch, an dem ich saß. Ihr Kopf zuckte nach unten. Ich wollte nicht, dass sie mit dem Gesicht auf die harte Platte schlug, und fing sie ab.
Dabei stand ich auf und schob den schmalen Tisch zur Seite, um Spielraum zu haben, denn was jetzt folgte, war kein Spaß mehr, das wusste ich genau.
Eva hatte alles nicht richtig mitbekommen. Die Angst und der Schmerz waren übermächtig gewesen und hatten ihr Verhalten beeinflusst. Jetzt war sie in eine neue Lage geraten, die sie noch nicht überblickte. Sie sah sich plötzlich einem anderen Mann gegenüber und konnte nicht wissen, was der tun würde.
Sie wollte schreien, aber ich legte einen Finger auf meine Lippen.
Das alles geschah blitzschnell. Ich flüsterte ihr zu, dass sie keine Angst haben sollte.
Es war nur ein Lippenbekenntnis, denn die Wahrheit sah anders aus, denn Moreno war auf dem Weg zu uns.
Seine vier Leute hielten sich in der Nähe auf. Wilde Gestalten, die keine Gnade kannten und über Leichen gehen würden. Daran dachte ich nur am Rande.
Da der Tisch zur Seite geschoben worden war, hatte ich Platz genug, um Eva hinter meinem Rücken in Deckung zu ziehen. Dabei flüsterte ich ihr zu, dass sie dort stehen bleiben sollte.
Eine Antwort erhielt ich nicht. Das hatte ich auch nicht erwartet.
Jetzt zählte nur mehr Andreas Moreno, der noch einen Blick auf den abgetrennten Kopf warf und sich danach um mich kümmerte …
***
Ich wusste nicht, was durch
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