1686 - Kugelfest und brandgefährlich
flüsterte sie mir zu. »Er wird im Rollstuhl sitzen müssen.«
Das war ein Hammer. Mich traf fast der Schlag und ich hatte das Gefühl, als würde sich der Boden unter meinen Füßen öffnen. Ich stellte mir Wladimir vor, diesen knallharten Kämpfer, der keiner Gefahr auswich und der jetzt in einem Krankenbett lag und sein Leben würde völlig ändern müssen.
»Mein Gott«, sagte ich nur.
»So ist das, John. Ich habe mit den Ärzten gesprochen, ob er jemals wieder eine Chance bekommen wird, sich normal zu bewegen. Eine Antwort konnte man mir nicht geben. Man ließ alles offen, sprach von Rehabilitation, aber ich denke nicht, dass er aus dieser Geschichte noch mal herauskommt.«
Ich musste schlucken. Auf meinem gesamten Körper hatte sich eine Gänsehaut gebildet. Die Knie waren mir weich geworden und ich hörte mich mit einer fremden Stimme sprechen.
»Weiß er es?«
Karina hob die Schultern. »Das kann ich dir nicht genau sagen. Ich jedenfalls habe ihn nicht darauf angesprochen, aber ich denke, dass er es spüren wird. Auch wenn die Ärzte ihm nicht die ganze Wahrheit gesagt haben. Ich habe das Thema gemieden.«
»Das ist gut. Man darf ihm den Funken Hoffnung nicht nehmen. Weiß er, dass ich hier bin?«
»Darüber haben wir gesprochen, und es ist auch okay. Er will ja auch, dass dieses weibliche Phantom gefasst wird.«
Natürlich hatte ich einige Fragen zu dem Thema, schob sie allerdings zur Seite, weil Wladimir Golenkow mir in diesen Augenblicken wichtiger war.
»Können wir zu ihm fahren?«
Karina nickte. »Sicher. Er soll sehen, dass es weitergeht. Er weiß auch, dass ich dich heute vom Flughafen abhole.«
Ich leerte meine Tasse. »Dann sollten wir fahren. Wo hast du ein Hotelzimmer für mich bestellt?«
»Du wohnst diesmal in einem kleinen Apartment. Es gehört unserer Organisation. Es liegt nicht weit von unserer Wohnung entfernt. Ist das okay für dich?«
»Ja, ja, natürlich.«
»Dann sollten wir jetzt fahren.«
Dagegen hatte ich ganz und gar nichts einzuwenden …
***
Es kostete mich schon Kraft, normal zu bleiben, als Karina die Tür des Krankenzimmers öffnete und wir einen Raum betraten, in dem nur ein Patient lag. Es gab ein Fenster, und vor der Scheibe war ein Rollo hochgezogen worden. Durch die Öffnungen zwischen den Lamellen fielen Lichtstreifen und zeichneten ein Muster auf den Boden.
Wladimir Golenkow lag im Bett mit dem Kopf etwas erhöht. Sein Blick fiel zur Tür, sodass er jeden Besucher sah, der eintrat. Er war noch an einen Tropf angeschlossen, ansonsten hatte man auf überwachende Elemente bei ihm verzichten können.
Er hatte in einem Buch gelesen und ließ es jetzt sinken, als wir eintraten. Auf seinem Gesicht ging die Sonne auf, wie man so schön sagt. Das Lächeln war breit geworden, sogar die Augen blitzten, in meinem Magen wollte der dicke Kloß trotzdem nicht verschwinden, aber auch ich riss mich zusammen und begrüßte ihn herzlich, nachdem seine Partnerin dies getan hatte.
Wir klatschten uns ab, sahen uns dabei in die Augen, und ich fragte mich, ob er die ganze Wahrheit wirklich nicht kannte.
»Was machst du denn nur für Sachen, Wladi?«
»Das habe ich mir nicht ausgesucht. Aber das Leben ist kein Kinderspiel. Ich hätte ja nicht gedacht, dass wir es mit einer Person zu tun bekommen, die kugelfest ist. Beide dachten wir, dass wir das Phantom gestellt hätten, und dann passierte es.«
»Jedenfalls lebst du«, sagte ich.
»Das stimmt.«
Er hatte mit einem Unterton gesprochen, der mir schon einen Schauer über den Rücken jagte. Er hielt auch meinem Blick stand, und dann sagte er etwas, das ich ihm nicht hätte sagen können.
»John, alter Freund, ich mache mir nichts vor. Ich werde mein weiteres Leben im Rollstuhl verbringen müssen.«
»Ach, Unsinn.«
»Glaubst du denn, die Ärzte würden mich anlügen? Ich habe sie direkt gefragt und die Antwort bekommen. Und Karina weiß es auch, obwohl sie mit mir nicht darüber spricht. Aber es ist so, und es wird so bleiben.«
Man konnte ihm nichts vormachen. Ich wusste auch nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Eigentlich hätte ich ihm so viel sagen wollen, es fiel mir nur nichts ein. Ich stand neben dem Bett und hätte am liebsten vor Wut geschrien.
»Das ist so, John, und ich bin bereits innerlich dabei, mich damit abzufinden. Auf keinen Fall gebe ich auf.«
»Und das heißt?«
Jetzt konnte er sogar lächeln. »Ich werde meine Reha durchziehen, ich werde gegen mein Schicksal ankämpfen, das
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