1686 - Kugelfest und brandgefährlich
einen leichten Schrei aus. Danach öffnete sie die Augen wieder und stellte erleichtert fest, dass dieses Bild verschwunden war. Nicht aber aus ihrem Gedächtnis. Sie würde auch weiterhin daran denken, denn es hatte ihr die Wahrheit gezeigt.
Erneut blickte sie durch die Scheibe. Sie musste blinzeln, weil das Licht sie blendete. Das Auto war bereits nahe an das Haus herangefahren. Sein helles Licht glitt auch über das Gesicht der alten Matuschka. Sie drehte den Kopf zur Seite und griff nach der Türklinke. Bevor sie sie öffnete, atmete sie schwer und tief durch. Das schreckliche Bild blieb in ihrer Erinnerung. Erneut wurde sie von Kälteschauern erfasst. Wenig später wehte ihr der kalte Nachtwind ins Gesicht, als sie auf der Türschwelle stand.
Die Männer hatten den Wagen bereits verlassen. Er war wegen seiner dunklen Farbe kaum zu sehen. Matuschka war recht klein, deshalb kamen ihr die Kerle übergroß vor.
»Ist sie da?«
»Ja, sie wartet schon.«
»Gut.« Die Männer betraten das Haus und drängten Matuschka rücksichtslos gegen die Wand. Im schwachen Licht des Flurs wirkten die großen, ganz in Schwarz gekleideten Typen wie zwei Ungeheuer, die sich durch nichts aufhalten ließen.
Zielsicher fanden sie das Zimmer der jungen Frau und rammten dort die Tür auf.
Matuschka war den Leuten gefolgt. So sah sie das, was auch die Männer sahen und sie zufrieden machte.
Chandra hatte sich nicht wieder hingelegt. Sie stand vor dem Bett und erwartete den Besuch. Der Koffer war bereits gepackt und stand neben ihr.
Matuschka drängte sich in das Zimmer. Sie wollte dabei sein, wenn Chandra Abschied nahm. Sie wollte auch noch ein paar Worte mit ihr sprechen, aber Chandra beachtete sie überhaupt nicht. Ihre Blicke galten einzig und allein den beiden Männern. Ihre Augen hatten einen Glanz angenommen, den Matuschka bei ihr noch nie so intensiv gesehen hatte. Der Blick konnte fast als hungrig bezeichnet werden, und sie schien förmlich darauf zu lauern, dass sie angesprochen wurde.
»Bist du bereit?«
»Ja, ich habe auf euch gewartet.«
»Du wirst in ein neues Leben eintreten. Wir werden dich ausbilden und wir werden dafür sorgen, dass du so gut wie unbesiegbar bist. Darauf darfst du dich freuen. Und du wirst keine Skrupel haben, um dein Ziel zu erreichen, ist dir das klar?«
»Das habe ich gespürt.«
»Wunderbar.«
»Ich werde den Weg gehen, der vor mir liegt, und das mit allen Konsequenzen.«
Der Sprecher schaute sie an. In seinen Augen funkelte es. Die Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das alles andere als freundlich war. Mehr wissend, auch lauernd, und nach einiger Zeit des Nachdenkens fragte er: »Du bist also bereit, alles zu tun?«
»Das habe ich gesagt!«
»Auch jetzt?«, drang es lauernd aus dem Mund des Mannes.
»Bestimmt. Du kannst dich darauf verlassen. Nichts wird mich davon abhalten können.«
Matuschka hatte ebenfalls alles gehört, und das Gesagte gefiel ihr nicht. Sie musste wieder an die Gestalt des Tods denken, den sie mit geschlossenen Augen gesehen hatte. Ein schlimmes Omen, das sich schnell bewahrheiten konnte.
Der Mann griff unter sein Jackett. Er holte eine Pistole hervor, die er Chandra zeigte. Er ließ sie vor ihrem Gesicht leicht pendeln. »Du kennst eine solche Waffe?«
»Ja.«
»Kannst du auch damit umgehen?«
»Bestimmt. Ich brauche es nicht erst zu lernen.«
»Mit solchen Waffen wirst du töten müssen. Ist dir das klar?«
Chandra nickte und erwiderte: »Ich freue mich darauf.«
»Das wollten wir hören.« Der Mann war zufrieden. Er streckte seinen Arm aus und reichte ihr die Waffe.
»Nimm sie!«
Chandra zögerte noch. »Und dann?«
»Du sollst sie nehmen!«
Jetzt gab es kein Halten mehr. Sie griff zu. Dabei wurde sie von den beiden Männern beobachtet. Sie waren beide zufrieden, als sie sahen, wie sie das tat. Ohne Scheu vor dem Neuen und dem Ungewohnten, und den Männern gefiel es offenbar auch, wie sie die Waffe wenig später hielt.
»Sie ist wie für dich gemacht.«
»Ich weiß. Ich fühle mich auch wohl. Und was soll ich jetzt tun?«
Der Mann drehte sich um. Er warf Matuschka einen scharfen Blick zu. Dann sagte er: »Töte sie!«
***
Matuschka hatte alles gehört. Je mehr Zeit verstrichen war, umso unwohler war ihr geworden. Sie kannte Chandra nicht mehr wieder. Schon beim Anblick der Waffe hatte sich das Mädchen verändert, doch als sie jetzt der Befehl erhielt, da wollte Matuschka es kaum glauben. Sie hatte das Gefühl, den Boden unter den
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