1686 - Kugelfest und brandgefährlich
Frau!
Noch immer wollte mir nicht in den Kopf, wie das möglich war. Aber ich hatte in meinem Leben schon einfach zu viel erlebt, um eine solche Eigenschaft einfach zu negieren. Wenn sie sich mit schwarzmagischen Kräften verbündet hatte, dann war sie wie ein mächtiger Krake, der seine Arme in alle Richtungen streckte, um an seine Opfer zu gelangen. Zu denen wollte ich auf keinen Fall zählen und war mehr als gespannt, was die nächsten Stunden bringen würden …
***
Erst einmal gab es einen Verkehrsstau. Karina Grischin hatte mich abgeholt. Jetzt hockten wir in dem schwarzen Mercedes, den auch Wladimir benutzt hatte, und kamen weder vor noch zurück. Da half auch Karinas Fluchen nichts.
»Der Verkehr wird immer schlimmer in der Stadt. Irgendwann erleidet Moskau den Kollaps.«
»Und dann?«
»Weiß ich auch nicht mehr weiter.«
Zwar steckten wir fest, aber nicht für immer. Irgendwann setzten wir uns wieder in Bewegung. Zwar schlichen wir dahin, aber es ging voran.
Wir mussten auch nicht in einen der Außenbezirke der Stadt fahren. Die Baustelle lag in der City. Da war ein altes hohes Gebäude abgerissen worden, um ein neues zu errichten, das seine gesamte Höhe bereits erreicht hatte.
Es war zehn Etagen hoch. Das Gelände um den Bau herum glich einer Mondlandschaft, auf der die beiden Kräne und auch die Maschinen standen. Ein Bagger war zu sehen, der allerdings ziemlich am Rand parkte.
Es gab einen Zaun und ein Tor darin, das nicht verschlossen war. Ich stieg aus und zog es auf, damit Karina den Wagen auf das Gelände lenken konnte.
Seit Wochen dürstete die Stadt nach Regen. Alles war trocken und auch staubig geworden. Selbst der lehmartige Boden hatte seine Feuchtigkeit verloren. Man konnte ihn schon mit einer staubigen Wüstenpiste vergleichen.
Ich stieg nicht mehr ein und ging neben dem langsam fahrenden Wagen her, dessen Reifen den Staub aufwirbelten. Jetzt, da ich mich im Freien aufhielt, nahm ich wieder den leichten Brandgeruch wahr, der über Moskau schwebte.
Von Oleg Blochin hatten wir beide noch nichts gesehen. Es parkte auch kein weiterer Wagen auf dem Gelände, mit dem er hätte hergekommen sein können.
Karina fuhr den Mercedes bis in die Nähe des Eingangs, wo sie abbremste. Sie stieg aus und schaute mich an.
»Ist dir etwas aufgefallen?«
»Nein, keine Spur von Blochin. Bist du sicher, dass er kommen wird?«
»Ja, das bin ich.«
»Und was machen wir so lange?«
Sie hob die Schultern. »Was schon? Wir werden auf ihn warten, es sind ja noch einige Minuten Zeit.«
»Wo denn? Oben?«
»Wäre nicht schlecht.«
Das stimmte in ihrem Fall. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit dem Aufzug hochfahren sollte. Hier unten hatte ich mehr Bewegungsfreiheit, und nur wenn ich hier nichts entdeckte, wollte ich nach oben fahren oder laufen.
Ich sprach mit Karina darüber, und sie hatte nichts dagegen einzuwenden.
»Leider habe ich unsere Freundin noch nicht zu Gesicht bekommen. Ich bin mir aber sicher, dass sie schon in der Nähe lauert. Sie wird uns verfolgt haben, Karina, und jetzt sollten wir es ihr schwer machen, indem wir uns trennen. Sie kann sich nur auf einen konzentrieren, so hat der andere seine Freiheiten.«
»Meinst du, dass das zutrifft?«
»Das hoffe ich zumindest.«
Die Baustelle lag in einer tiefen Ruhe. Es hielt sich kein Arbeiter mehr auf dem Gelände auf, und ich ging davon aus, dass sie auch nicht in einer der drei Baubuden am anderen Ende saßen, um dort ihren Feierabend zu verbringen.
Die normale Helligkeit des Tages war einer grauen Dämmerung gewichen. In der Umgebung brannten die Lichter, doch hier auf dem Grundstück sprangen keine Laternen durch irgendwelche Zeitschaltuhren an.
Karina meinte: »Ich denke, dass es hier Licht gibt. Irgendwo sind immer Scheinwerfer aufgestellt, auch im Bau. Da wird Blochin Bescheid wissen.«
»Kennst du ihn persönlich?«
»Nein, nur von Bildern, die ich in irgendwelchen Zeitschriften gesehen habe.«
»Und?«
Sie wiegte den Kopf. »Na ja, er ist nicht eben der Mensch, mit dem ich verheiratet sein möchte, aber darauf kommt es ja auch nicht an. Ich hoffe, durch ihn an die Killerin heranzukommen. Alles andere ist wirklich zweitrangig.«
Zunächst ließ sich keine Killerin blicken. Dafür wurde die Umgebung der Einfahrt erhellt. Ein Wagen schob sich in langsamer Fahrt auf das Grundstück. Es war noch nicht dunkel geworden. Die Marke ließ sich gut erkennen, aber ich stutzte, als ich das große Fahrzeug sah. Das war kein Daimler,
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