1686 - Kugelfest und brandgefährlich
Füßen zu verlieren. Das Blut stieg ihr in den Kopf und drückte dort gegen die Stirn.
Sie dachte wieder an die schreckliche Gestalt, die bei ihr aufgetaucht war, und plötzlich schlug ihr Herz so stark, als wollte es zerspringen.
Chandra hatte nach dem Befehl noch nichts gesagt. Sie schien zu überlegen, was dem Sprecher nicht passte. Er sagte: »Es ist deine erste Probe. Ich gebe dir den Rat, sie zu bestehen. Solltest du dich weigern, wäre das nicht gut für dich.«
»Ich weiß!«
Der Sprecher nickte. »Die Waffe ist entsichert. Du musst nur abdrücken. Matuschka hat ihre Pflicht getan. Es soll und darf keine Zeugen geben. Ich hoffe, das hast du begriffen.«
»Ja, das habe ich!«
Die Worte hatten so endgültig geklungen, und das hatte auch die alte Frau nicht überhört. Sie schüttelte den Kopf. Sie holte noch mal tief Luft, um die Kraft zu finden, etwas zu sagen, aber das war nicht mehr möglich. Nur noch ein leises Krächzen wehte aus dem offenen Mund, während sie immer blasser wurde.
Chandra drehte sich um, damit sie Matuschka ins Gesicht sehen konnte. Ihr Blick war nicht nur hart. Er zeigte auch eine gewisse Gnadenlosigkeit, wie sie Matuschka noch nie zuvor in ihrem langen Leben gesehen hatte. Es gab kein Zurück mehr. Alles, was Matuschka für Chandra in den Jahren getan hatte, war vergessen.
Jetzt gab es nur noch die grausame Gewalt.
Chandra hob die Waffe an. In ihrem Gesicht regte sich nichts. Die dunklen Augen blieben ohne Ausdruck. In diesem Augenblick fand die alte Frau ihre Sprache wieder.
»Tut es dir denn nicht leid?«
»Ich muss es tun!«
»Aber ich habe …«
»Sei ruhig!«
Es waren die letzten Worte, die Matuschka hörte. Danach vernahm sie noch das Krachen der Schüsse und spürte die Einschläge wie Hammertreffer an ihrem Körper.
Die Welt um sie herum begann zu schwanken. Alles zog sich zusammen. Den dritten Knall vernahm sie schon wie aus weiter Ferne. Da war die Welt schon dabei, in eine tiefe, grenzenlose Dunkelheit zu fallen, die für Matuschka ewig war.
Drei Augenpaare schauten zu, wie die alte Frau zu Boden fiel. Neben dem Bett blieb sie bäuchlings liegen, und Chandra, die auf sie schaute, nickte zufrieden.
Zufrieden zeigten sich auch die beiden Männer. Wieder sprach nur einer.
»Deine erste Probe hast du bestanden. Ab jetzt hat für dich das wahre Leben begonnen.«
»Ich weiß. Und ich freue mich sehr darauf!«
»Dann lass uns gehen …«
***
Der Wachtposten stand vor Schrecken starr, als er in das grelle Licht der Scheinwerfer geriet. Er war zwar bewaffnet, kam aber nicht mehr dazu, nach seiner Pistole zu greifen, denn da stoppte der Wagen nah vor ihm.
Das Fenster an der linken Fahrerseite war bereits nach unten gefahren. Eine Hand und ein Stück Arm erschienen und winkten dem Mann zu, der jetzt an das dunkle Fahrzeug herantrat, auf dessen Kühlerhaube ein silberner Stern schimmerte.
Im Fensterausschnitt erschien noch das harte Gesicht eines blondhaarigen Mannes, zusammen mit einem Ausweis, der dem Wächter präsentiert wurde.
Der Mann nahm sofort Haltung an. Wie nebenbei bemerkte er, dass auf dem Beifahrersitz eine Frau saß, die allerdings nichts tat.
»Wo wurde die Frau gesehen?«, fragte Wladimir Golenkow.
»Bei den Containern, zwei Männer hat sie erschossen. Wir haben uns an die Anweisungen gehalten und eine bestimmte Nummer angerufen.«
»Das war genau richtig. Wo stehen die Container?«
»Es gibt zwei Stellplätze. Sie müssen sich rechts halten. Da werden Sie dann eine Gasse sehen.«
»Gut. Wissen Sie schon, was die Frau dort gewollt hat?«
»Nein, ich – ähm …«
»Ist schon gut. Öffnen Sie die Schranke und versuchen Sie nicht, den Helden zu spielen. Es reicht aus, dass zwei Menschen ihr Leben verloren haben.«
»Ich werde mich danach richten.«
Sekunden später schwebte der Schlagbaum in die Höhe, und Wladimir Golenkow fuhr an, wobei er das Licht der Scheinwerfer gelöscht hatte, als er durch diesen Teil des Containerhafens rollte, der allerdings nicht völlig dunkel war, denn an bestimmten Stellen ragten Laternen an langen Masten in die Höhe und gaben ein Licht ab, das in den Farben blau und weiß schimmerte.
Neben dem Fahrer saß Karina Grischin, eine Top-Agentin. Sie und Wladimir Golenkow waren nicht nur beruflich miteinander verbunden, sondern auch privat. Sie lebten als Paar zusammen, ohne verheiratet zu sein, und beide wussten, dass ihr Leben manchmal einem Tanz auf dem Vulkan glich.
Während Wladimir in der Hierarchie
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