1686 - Kugelfest und brandgefährlich
schaffst es, Wladi. Du schaffst es ganz sicher. Du bist ein Mann aus Stahl. Du lässt mich nicht im Stich. Wir werden noch einiges gemeinsam erleben …«
Eine Antwort erhielt sie nicht. Es war für Karina nicht wichtig. Für sie zählte nur, dass Wladimir noch lebte. Auch sie war in ihrem Job knallhart, aber letztendlich noch immer ein Mensch mit Gefühlen. Der Druck hinter ihren Augen verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde. Schließlich wurde er so stark, dass sie die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Sie drehte den Kopf zur Seite, damit Wladimir nichts sah und hörte.
Dann wurde die Stille vom fernen Klang der Sirenen unterbrochen. Endlich kam Hilfe, und das musste sie Wladimir auch sagen, egal, ob er es hörte oder nicht.
»Es dauert nicht mehr lange, dann wird man sich um dich kümmern. Es kommt alles in Ordnung. Glaube es mir …«
Golenkow gab keine Antwort. Dafür war das Geräusch lauter geworden. Blaulichter zerschnitten die Dunkelheit und huschten an den Wänden der Container entlang. Zum Glück war der Raum zwischen ihnen groß genug, sodass die Fahrzeuge hindurch kamen.
Zuerst stoppte der Wagen mit dem Notarzt. Ein schon etwas älterer Mann mit einem Knebelbart sprang ins Freie. Karina musste nichts sagen. Er sah selbst, wo der Schwerletzte lag, und war sofort bei ihm.
Helfer kamen ebenfalls hinzu. Zwei Scheinwerfer tauchten alles in ein grelles Licht.
Karina war klar, dass sie nichts tun konnte. So stellte sie sich abseits hin und wartete darauf, dass der Arzt ihr ein erstes Statement geben konnte.
Sehr, sehr vorsichtig wurde Wladimir Golenkow auf die Trage gelegt und in den Wagen geschoben. Karina ließ den Arzt noch nicht einsteigen. Sie fasste ihn an der Schulter an.
»Auf ein Wort, Doktor.«
Der Arzt nahm seine Brille ab. »Ich kann nicht viel sagen. Nur so viel, dass es den Mann schwer erwischt hat. In seinem Körper stecken zwei Kugeln. Er hat einen Einschuss tief in der rechten Schulter und einen zweiten im Rücken. Und der ist sehr gefährlich.«
»Tödlich?«
»Bei manchen Menschen schon. Bei anderen wiederum nicht. Genaues wird man Ihnen in der Klinik sagen können.«
»Wohin wird er gebracht?«
Der Arzt nannte den Namen, und Karina war zufrieden. Dieses Hospital war eines der besten im ganzen Land. Nicht jeder kam dorthin, aber es war bekannt dafür, dass Politiker und Oligarchen sich dort behandeln ließen.
Die Mannschaft rückte wieder ab. Karina schaute den Wagen nach und sah sie durch das Tränenwasser nur verschwommen. Mit einem derartigen Ende der Jagd hatte sie nicht gerechnet, und sie hoffte, dass es nicht das Ende ihres Partners Wladimir Golenkow war …
***
Der Rest der Nacht war für Karina Grischin eine einzige Tortur gewesen. Die Ärzte hatten sich ihren Besuch im Krankenhaus verbeten. Sie wusste nur, dass man dort um Wladimirs Leben kämpfte. Seinem Vorgesetzten hatte sie bereits Bescheid gegeben. Der Mann, der recht viel Einfluss im Kreml besaß, zeigte sich geschockt, wies aber auch darauf hin, dass alles getan werden musste, um das Phantom zu fangen.
»Dafür werde ich sorgen.«
»Und Sie haben freie Hand.«
»Danke sehr.«
Es war für Karina wichtig, dass sie die entsprechende Rückendeckung erhielt. In diesem Fall würde sie unkonventionelle Wege gehen müssen. Sie hatte auch schon eine Idee, doch zunächst war Wladimir wichtiger. Sie hoffte darauf, ihn in einigen Stunden besuchen zu können, und zwar als lebendigen Menschen.
Irgendwann kam der Zeitpunkt, dass ihr die Augen zufielen. Da graute bereits der Morgen. Es war nur ein kurzer Schlaf, er tat ihr trotzdem gut, und als die Strahlen der Sonne durch das Fenster ihrer Wohnung fielen, da stand sie bereits unter der Dusche.
Anrufen in der Klinik wollte sie erst, wenn sie angezogen war. Sie sehnte sich nach einer Auskunft und fürchtete sich zugleich davor. Am liebsten wäre sie weggerannt, aber sie riss sich zusammen, zog sich an und griff zum Telefon.
Ihr Herz klopfte viel stärker als sonst. Die Schläge spürte sie oben im Hals, und irgendwelche Krallen schienen ihr die Kehle zuzudrücken.
Eine neutrale Männerstimme meldete sich.
Karina sagte ihren Namen, erklärte, dass ihr Partner in der Klinik lag, und ließ sich mit der zuständigen Station verbinden, was auch anstandslos klappte.
Dann kam der erste Frust. Der zuständige Arzt wollte ihr keine Auskunft am Telefon geben. Er bestätigte jedoch, dass Wladimir am Leben war.
»Gut. Ich komme zu Ihnen.« Bevor der Arzt etwas
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