1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
lebten, mussten sich sorgen. Es ging einzig und allein um sie. Anita wusste etwas. Sie kannte auch Hintergründe, und sie hatte sich gegen den Killer mit den Mandelaugen gestellt. Sie hatte dafür büßen müssen, aber es war bei ihr nicht bis zum Letzten gekommen.
Die Zeit verstrich, und es ging ihr besser. Zwar fühlte sie sich nicht besonders gut, aber sie konnte durchatmen, und das zählte schon etwas. Sie bewegte sich auch nicht mehr so schnell, und die Blicke fremder Menschen blieben aus.
Und doch war die Furcht nicht völlig verschwunden. Sie musste einfach immer wieder zurückschauen, um sich zu vergewissern, dass niemand sie verfolgte.
Ihre Gedanken fingen wieder an zu arbeiten und sie fragte sich, was sie erreicht hatte. Ihr Leben hatte sie gerettet, aber sie dachte dabei an Shao, die verschwunden war. Sie war in die Falle getappt. Ausgerechnet Shao, die ihr hatte zur Seite stehen sollen und jetzt selbst in den Strudel hineingezerrt worden war.
In ihrer Manteltasche fand sie etwas Geld. Die Summe reichte aus, um etwas zu trinken. In einem kleinen Lokal, das an einer Kreuzung lag, fand sie für einen Moment Ruhe.
Sie bestellte einen Tee, und die dunkelhäutige Bedienung mit der weißen Schürze schaute sie kurz an, bevor sie fragte: »Geht es Ihnen schlecht? Kann ich helfen?«
»Nein, danke, ich möchte nur einen Tee und mich ein wenig ausruhen.«
»Das verstehe ich.«
Es war nicht kalt, aber Anita fror. Sie saß da, zog den Mantel eng um ihren Körper, als wäre er etwas Wertvolles. Sie hatte sich fangen können, und auch ihr Atem war wieder normal und regelmäßig.
Der Tee wurde gebracht. Sie zahlte sofort, dann holte sie einen Zettel aus der Tasche, auf dem sie sich eine Adresse notiert hatte. Es war das Haus, in dem Shao lebte.
»Wollen Sie dorthin?«, fragte die Bedienung.
»Ja.«
»Das ist nicht weit von hier.«
»Können Sie mir den Weg erklären?«
»Klar.«
Während Anita den Tee trank, hörte sie zu. Sie prägte sich ein, was gesagt wurde, bedankte sich, leerte die Tasse und verließ das kleine Lokal, und immer wieder spukte ihr ein Name durch den Kopf.
Shao!
Sie hatte ihn mehrmals gehört. Er war bei ihren Feinden sehr präsent gewesen. Und man hatte das Gefühl haben können, dass Shao eine gewisse Angst verbreitete. Es war über einen Fächer gesprochen worden und über ein Erbe.
Anita hatte den Gesprächen sehr genau gelauscht und das Wichtige für sich herausgezogen. So war sie dann zu der Überzeugung gelangt, dass Shao Marcia Gays Feindin sein musste. Und deshalb hatte sich Anita auf die Suche nach ihr gemacht und sie schließlich auf dem Parkplatz des Supermarkts getroffen.
Es war kein Zufall gewesen. Sie hatte es geschafft und gewisse Unterlagen von ihr gefunden. Marcia Gay hatte sie gesammelt, und da waren auch gewisse Lebensgewohnheiten aufgeschrieben worden. Unter anderem wusste sie, wo Shao wohnte und sich hin und wieder aufhielt, wenn sie einkaufte. Anita war dort hingelaufen und hatte einfach nur Glück gehabt, sie zu treffen. In den Unterlagen war zudem ein Bild der Chinesin gewesen. Das hatte ihr geholfen.
Aber sie war zu forsch vorgegangen, das stand auch fest. Sie hatte sich verdächtig gemacht und war bestraft worden. Marcia persönlich hatte sich Anita vorgenommen. Die Folgen zeichneten sich auf ihrem Körper ab. Für immer hatte sie gezeichnet werden sollen. Und trotzdem hatte sie den Mut gefunden, die Flucht zu ergreifen.
Jetzt stand sie zwar nicht wieder am Anfang, aber sie hatte es geschafft, aus Marcia Gays Dunstkreis zu fliehen und auch ihren Schergen zu entgehen, wobei sie sich nicht als Siegerin fühlte, denn sie wusste, dass ihr die Männer weiterhin im Nacken sitzen würden, von Marcia mit den entsprechenden Informationen versorgt.
Shao war entführt worden, und Anita konnte sich vorstellen, wo sie jetzt steckte. Dorthin wollte sie nicht gehen. Auf keinen Fall in das Zentrum des Grauens. Sie musste Hilfe finden, und sie glaubte zu wissen, dass Shao nicht allein lebte. Es war einige Male ein Name gefallen. Sie hatte ihn sogar behalten. Suko. Aus den gefundenen Unterlagen wusste Anita, wo er lebte, und jetzt hatte man ihr auch den Weg beschrieben.
Das Haus wurde schon bald sichtbar.
Zwei Hochhäuser standen nebeneinander. In einem von ihnen wohnte Shao mit ihrem Freund. Anita war natürlich klar, dass nicht nur sie über diese Adresse informiert war. Auch die andere Seite wusste Bescheid, und die konnte ebenfalls sofort reagieren.
Noch immer
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