1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
haben, aber sie ging geradewegs auf das Haus zu, in dem Suko und Shao wohnten und ich ebenfalls meine Bleibe hatte.
Ich schaute einmal hin, dann noch mal, und durch meinen Kopf zuckte so etwas wie ein Gedankenblitz.
Ich kannte die Frau!
Das heißt, ich kannte sie eigentlich nicht, aber ich hatte nicht vergessen, was mir der Zeuge in dem Laden erzählt hatte. Ihm war eine Frau aufgefallen, die eine etwas ungewöhnliche Kleidung trug. Einen schlichten Regenmantel, und genau dieses Kleidungsstück sah ich bei der Frau, die auf den Hauseingang zuging.
Wie sie von vorn aussah, wusste ich nicht, denn ich schaute auf ihren Rücken und sah auch, dass sie sehr langsam ging und wahrscheinlich unsicher war.
Ich wusste sofort, dass ich Glück gehabt hatte, und fragte mich zudem, wie die Frau dazu kam, das Haus zu betreten. Sie musste wissen, wo Shao lebte, und bestimmt hatte sie eine Botschaft, die sie loswerden wollte.
Ich überstürzte nichts. Erst als die Frau im Haus verschwunden war, verließ ich den Wagen und folgte ihr. Dabei betrat ich das Haus noch nicht sofort. Durch die Glastür beobachtete ich, dass sie mit dem Hausmeister sprach, hörte jedoch nicht, was sie sich zu sagen hatten. Aber der Hausmeister schien mit ihr klarzukommen, denn es dauerte nicht lange, da verschwand er in seiner Kabine, um zu telefonieren. Ich ging davon aus, dass er in Sukos Apartment anrief.
Die Frau wartete. Sie drehte mir den Rücken zu und tat das auch noch, als ich sie ansprach.
Danach fuhr sie herum. Ein tiefes Erschrecken erfasste sie, und im ersten Moment sah sie aus, als wollte sie die Flucht ergreifen. Aber dafür war die Gelegenheit nicht günstig genug.
Sie fing sich wieder und stellte mir sofort eine Frage, die ihr auf der Seele brannte.
»Was wollen Sie von mir?«
»Ich denke, wir sollten miteinander reden.«
»Warum?«
»Weil wir möglicherweise das gleiche Problem haben.«
»Nein, nein«, sagte sie hastig, »das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Vielleicht Shao …?«
Plötzlich erstarrte sie. Sie duckte sich zudem leicht und sah aus, als wollte sie die Flucht ergreifen. Ich musste sie beruhigen und ihr Vertrauen gewinnen.
»Bitte, Sie müssen keine Angst haben. Ich suche Shao ebenfalls und mein Freund Suko auch.«
»Sie kennen ihn?«
Ich lächelte. »Klar. Wir sind Freunde und Kollegen, wohnen hier im selben Haus.«
»Ja, dann …« Sie senkte den Blick.
Ich hatte Zeit gehabt, sie mir näher anzuschauen. Sie war eine Asiatin, aber die Nationalität konnte ich nicht zuordnen. Jedenfalls schien ihre Angst verflogen zu sein, denn sie zeigte sich etwas entspannter.
»Der Hausmeister hat mir versprochen, mit Suko zu telefonieren. Ich hoffe, dass er da ist.«
»Das ist er. Verlassen Sie sich darauf.«
Der Mann im grauen Kittel verließ seinen Kasten und winkte mit zu. »Hi, Mr Sinclair, ich sehe, dass Sie sich mit der jungen Frau unterhalten. Sie wollte unbedingt zu Ihrem Kollegen und …«
»Alles klar, Harry. Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Im Gegenteil, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie die junge Frau nicht weggeschickt haben.«
»Dann ist ja alles okay.« Er schaute auf seine Uhr. »Ich habe einen Termin bei einer Mieterin und …«
»Gehen Sie nur.«
»Danke.« Er verschwand.
Ich wandte mich wieder an die exotische Person vor mir. »Darf ich fragen, wie Sie heißen?«
»Anita Huen. Meine Mutter war Niederländerin, mein Vater stammte aus China. Da bin ich auch aufgewachsen.«
»Und jetzt sind Sie hier.«
»Ja.«
»Und Sie kennen Shao?«
Ich wollte das Thema jetzt nicht weiter erörtern. Zudem verließ Suko den Aufzug. Anita erfuhr noch meinen Namen, dann drehte ich mich so, dass ich Suko entgegenschauen konnte.
Er sah nicht nur mich, sondern auch Anita, und seine Augen weiteten sich, als er auf uns zukam. Er hatte ebenfalls die Beschreibung gehört. Das alles musste ihm jetzt durch den Kopf schießen, als er die Frau neben mir sah.
Auch Anita hatte sich umgedreht und sah ihm entgegen. Bevor er noch anhielt, flüsterte sie: »Suko?«
»Ja.«
»Dann habe ich mein Ziel fast erreicht.«
Suko schüttelte den Kopf. So richtig wusste er nicht, was er davon halten sollte. Er schaute mich an, dann fragte er: »Weiß sie mehr über Shaos Verschwinden?«
»Das hoffe ich sehr. Sie heißt übrigens Anita Huen.«
»Das stimmt, Mr Sinclair, und ich habe den Kontakt zu Shao bewusst gesucht.«
»Warum haben Sie das getan?«
»Weil der Killer mit den Mandelaugen nicht
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