1688 - Der Killer mit den Mandelaugen
bewegte sich Anita wie eine Träumerin durch die Gegend. Sie war auf die beiden Hochhäuser fixiert und erreichte einen Parkplatz, der zu ihnen gehörte. Es gab einen Hauptweg, der zu den Häusern führte, und sie näherte sich dem ersten.
Gut ging es ihr nicht. Sie merkte schon, dass ihr Herz schneller schlug. Etwas Wichtiges lag vor ihr und sie hoffte, dass es für sie gut ausging.
Natürlich dachte sie auch an die andere Seite. Verfolger gaben so leicht nicht auf. Entsprechend vorsichtig war sie, aber es gab keinen Grund, sich offen zu fürchten, denn es war nichts zu sehen, was ihr gefährlich werden konnte.
Anita Huen betrat das Haus und merkte, dass ihre Knie weich geworden waren. Sie schaute sich um, sodass sie einen verdächtigen Eindruck machte, und genau das fiel einem Hausmeister auf, der in seiner Loge saß.
Er verließ sie und ging mit energischen Schritten auf Anita zu. Die schrak zusammen, als er vor ihr stehen blieb.
»Suchen Sie jemanden?«
»Ja.«
»Und wen?«
»Hier wohnt doch eine Frau, die Shao heißt …«
Der Mann im grauen Kittel runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich Auskünfte über die Mieter hier geben darf, Miss …«
Anita rang die Hände. »Bitte, Mister, das müssen Sie. Das ist sehr wichtig für mich. Es geht nicht anders.«
Er lächelte knapp. »So einfach ist das nicht …«
»Ist denn ihr Freund im Haus?«
»Sie kennen Suko?«
»Ja!«, sagte sie schnell.
Der Hausmeister hielt sich für einen Menschenkenner. In diesem Fall sah er, dass die Besucherin wirklich unter Druck stand. Sie litt, sie hatte Angst, das entnahm er auch ihrem unsteten Blick.
»Sie haben Glück.«
»Wieso?«
»Suko ist wohl im Haus.«
»Und wo muss ich da hin?« Plötzlich leuchteten die Augen der jungen Frau auf.
»Langsam, langsam. Ich werde ihn zuerst anrufen. Haben Sie auch einen Namen?«
Sie nickte. »Ich heiße Anita Huen.«
»Gut, warten Sie hier.« Der Hausmeister drehte sich um und verschwand in seiner Kabine.
Anita schaute ihm nach. Für einen Moment schloss sie die Augen und dachte daran, dass sie zum ersten Mal seit langer Zeit wieder so etwas wie Hoffnung in ihr aufgestiegen war.
Bis zu dem Augenblick, als hinter ihr eine männliche Stimme zu hören war.
»Ich glaube, wir sollten uns mal unterhalten …«
Anita schrie auf und fuhr auf dem Absatz herum. Dabei schaute sie direkt in das ihr fremde Gesicht eines blondhaarigen Mannes …
***
Suko war mit dem BMW in die Tiefgarage gefahren, um ihn dort abzustellen, während ich im Rover sitzen geblieben war und den Wagen so geparkt hatte, dass ich den Eingang im Auge behalten konnte. Suko wollte die Einkäufe wegbringen und auch in der Wohnung nachschauen, ob Shao vielleicht eine Nachricht für ihn hinterlassen hatte. Die paar Minuten des Alleinseins gönnte ich ihm. Auch wenn er äußerlich einen ruhigen und gefassten Eindruck machte, drehten sich seine Gedanken nur um Shao, die so plötzlich verschwunden war und keine Spur hinterlassen hatte.
Was steckte hinter der Entführung?
Darüber machte ich mir natürlich auch meine Gedanken, ohne jedoch eine Lösung zu finden. Ich ging davon aus, dass Suko und ich zahlreiche Feinde hatten, die aus unterschiedlichen Lagern kamen. Zudem war Shao keine normale Frau. Sie war die Letzte in der Ahnenreihe der Sonnengöttin Amaterasu, und das durfte man ebenfalls nicht außer Acht lassen.
Möglicherweise deutete die Entführung eben auf dieses alte Erbe hin, aber sicher war das nicht, und so mussten wir erst mal abwarten und darauf hoffen, irgendwann einen Hinweis zu finden, der uns zu ihr führte.
Ich hatte die Scheibe an der Fahrerseite nach unten fahren lassen. Der warme Wind fuhr mir ins Gesicht und ich dachte daran, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis der Sommer vorbei war. Ärgerlich war ich darüber nicht, denn es hatte viele zu heiße Tage gegeben.
Zugleich wuchs meine Sorge um Shao. Die andere Seite hatte uns auch keine Nachricht zukommen lassen. Es stand für mich fest, dass Shao nicht aus Versehen entführt worden war. Man bezweckte etwas damit. Ob es allerdings auf eine Erpressung hinauslief, war die Frage.
In meiner Umgebung hatte sich nichts getan, es war alles normal geblieben. Um diese Zeit herrschte Ruhe. Die meisten Bewohner waren bei der Arbeit und kehrten erst am Abend zurück.
Ich zuckte zusammen, weil ich eine Frau sah, die plötzlich in der Nähe des Eingangs aufgetaucht war. Ich hatte sie nicht kommen sehen, sie musste sich angeschlichen
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