1689 - Engel der Ruinen
Längerem mein Kreuz und wunderte mich, dass es sich nicht erwärmt hatte. Es konnte daran liegen, dass sich Sariel in einer positiven Phase befand. Wäre er das Gegenteil von dem gewesen, hätte ich für mich bessere Chancen gesehen.
Ich holte das Kreuz hervor.
Ich überstürzte nichts dabei, und auch der Engel der Ruinen wartete ab. Als es freilag, verdeckte ich es mit meinem Handrücken, und sah, dass Sariel die Hand nicht aus den Augen ließ. Bestimmt wusste er schon, was sie verbarg, und wenig später drehte ich die Hand, sodass die Fläche nach oben zeigte.
Und dort lag das Kreuz!
***
Ich hatte darauf gesetzt, ich wollte eine Reaktion herausfordern, aber die Enttäuschung war groß, denn es tat sich nichts. Das Kreuz strahlte nicht auf, es erwärmte sich nicht. Ich kam mir schon recht verloren vor und ich fragte mich, ob dieser Sariel tatsächlich ein Feind war.
Wohl momentan nicht …
Er sah es. Auf seinem starren Gesicht erkannte ich ein schwaches Lächeln, dann nickte er und begann zu sprechen.
»Ich habe gefühlt, dass du anders bist. Und ich habe recht behalten. Du trägst als Mensch eine mächtige Waffe bei dir, und das bestimmt nicht grundlos.«
»So ist es. Ich habe dir meinen Namen gesagt, aber nicht den Namen, den man mir noch gegeben hat. Ich bin der Sohn des Lichts, falls du diesen Begriff kennst …«
»Sehr wohl, denn auch wir wurden mal die Söhne des Lichts genannt. Aber das ist sehr lange her.«
»Dann hast du auch den Namen getragen?«
»So hießen alle Engel. Söhne oder Kinder des Lichts. Bis es dann zur großen Trennung kam und man sich entscheiden musste.«
»Für welche Seite hast du dich denn entschieden?«
»Mal hier, mal da. Ich bin so etwas wie ein großer Wechsler, ich habe mich immer wieder mal den Menschen gezeigt und mich offenbart. So kannst du im Buch Henoch über mich lesen, dass ich manchmal als Bestrafer antrete, wenn ich mich um die Geschicke anderer Engel kümmere.«
»Und was ist mit der anderen Hälfte bei dir? Kannst du mir das auch erklären?«
»Ja, denn irgendwie sind wir uns ähnlich. Ich habe die Söhne der Finsternis nicht vergessen und sie mich auch nicht. Manchmal begebe ich mich in die Tiefen der Finsternis und besuche sie. Die Menschen haben dafür den Namen Hölle erfunden, und ich komme mit beiden Gegensätzen gut aus. Zum einen mit der Hölle und zum anderen mit dem Himmel. So hebe ich mich von den Engeln besonders ab.«
Ja, das konnte sein. Warum sollte er lügen? Aber ich stellte mich trotzdem nicht auf seine Seite, denn in meinem Besitz befand sich etwas, das die Seiten nicht wechselte.
»Auch wenn ich jetzt weiß, wer du bist, ich habe meine Meinung nicht geändert.«
»Das ist schade.«
»Wir werden sehen!«
Ich wollte keine Schwäche zeigen. Dieser Gestalt mussten Grenzen gesetzt werden, und ich bereitete mich innerlich auf einen spektakulären Kampf vor.
Den konnte ich vergessen.
Aber nicht nur ich.
Wir alle, die wir uns in dem Büro befanden, erlebten eine Überraschung. Sariel wollte uns nicht mehr. Er zog sich zurück. Es war dabei kein Laut zu hören, als er rückwärts dem Fenster entgegen schwebte und wenig später verschwunden war.
Zugleich verschwand die Düsternis.
Um uns herum wurde es normal hell, und wir befanden uns wieder in der völlig normalen Umgebung, als hätte es das andere zuvor nie gegeben …
***
Es war eine bedrückende Stille, die sich innerhalb des Vorzimmers ausgebreitet hatte. Uns allen hatte es erst mal die Sprache verschlagen. Jason Miller stand noch immer an der Tür. Nur schaute er jetzt in den Raum hinein, und seine Haltung erinnerte an die einer Statue.
Auch Josip Milic saß nicht mehr an seinem Platz. Er glotzte mich an, wobei ich das Gefühl hatte, dass er mich nicht mal sah, sondern durch mich hindurchschaute.
Selbst Purdy Prentiss sagte nichts. Aber ihr Gesicht war bleich geworden, und als ich mich räusperte, da löste sich auch bei ihr die Starre.
»Verstehst du das, John?«
»Zum großen Teil.«
»Aber warum«, flüsterte sie, »warum ist das alles passiert? Ich kann es nicht fassen. Sind wir, nein, bist du denn stärker als dieser doppelzüngige Engel?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was heißt das?«
»Ganz einfach, ich weiß nicht, ob das schon alles gewesen ist und wir gewonnen haben.«
»Das denke ich auch. Er ist plötzlich verschwunden. Wie jemand, der eingesehen hat, dass er verloren hat.«
»Richtig. Und das macht mir Sorgen.«
Plötzlich hörten wir Josip Milic
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