1689 - Engel der Ruinen
hier wegzukommen …«
Mir gefiel seine aufgesetzte gute Laune nicht, und ich fragte mich, ob er mehr wusste. Wenn ja, würde er uns es nicht sagen. Jedenfalls wollte Jason Miller den Raum so schnell wie möglich verlassen. Er wartete nicht auf uns, sondern schob sich über die Schwelle, nachdem er die Tür weiter aufgezogen hatte.
Wir sahen ihn nicht mehr.
Dafür hörten wir ihn.
»Kommt, der Flur ist leer!«
Milic wollte gehen. Ich ließ ihn nur einen Schritt weit kommen, dann packte ich ihn und zerrte ihn an mich heran. Er stieß einen wilden Fluch aus.
»Nein, John, überlass ihn mir. Du brauchst deine freien Hände.«
»Okay.« Ich stieß ihn zu Purdy rüber, die sofort zugriff. Sie musste sich Beschimpfungen anhören, was ihr nichts ausmachte. Mich konnten sie auch nicht aufhalten.
Ich zog die Tür noch weiter auf und warf einen Blick in den Gang. Er war tatsächlich leer, da hatte sich Miller nicht geirrt. Anscheinend traute er sich allein nicht, denn er hatte den Weg zum Fahrstuhl noch nicht angetreten. Er stand in der Flurmitte, vielleicht zwei Schrittlängen von der Tür entfernt.
»Sollen wir den Fahrstuhl oder die Treppe nehmen, Sinclair?«
Es war eine gute Frage, die auch Purdy gehört hatte. Und sie gab die Antwort. »Lieber die Treppe. Nicht, dass ich etwas gegen Fahrstühle hätte, aber in dieser Kabine komme ich mir sehr eingeschlossen vor. Wer weiß, was dieser Sariel noch alles auf Lager hat.« Sie stieß Milic vor, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.
»Okay«, sagte ich, »dann nehmen wir die Treppe.«
Es sollte nicht sein. Denn plötzlich zeigte Sariel wieder, wozu er fähig war. Glücklicherweise hielten wir uns allein auf dem Flur auf. Das war auch gut so, denn so erwischte die plötzliche Dunkelheit nur uns und keine Unschuldigen.
Für mich stand zweifelsohne fest, dass Sariel jetzt seinen Plan durchziehen würde …
***
Es blieb dunkel, das war klar. Aber es war nicht so finster wie sonst, da die Tür zum Büro noch offen stand. Aus dem großen Viereck drang Licht in den Flur, das sehr bald von der Finsternis verschluckt wurde. Sariel hatte die Dunkelheit der Hölle auf seiner Seite und hielt sich weiterhin zurück, um die Spannung zu erhöhen.
Und es gab noch ein Licht.
Als ich auf mein Kreuz schaute, da sah ich das silbrige Flimmern, das den gesamten Umriss erfasst hatte und auch die Insignien der vier Erzengel strahlen ließ.
Für mich war das ein Zeichen der Hoffnung. Jetzt verhielt sich mein Talisman nicht mehr neutral. Sariel hatte den Bogen überspannt. Aber er war noch nicht zu sehen. Ich nutzte die Zeit aus und ging vor. Dabei hörte ich Millers Flüstern und wusste, wohin ich gehen musste, um ihn nicht anzurempeln.
»Gehen Sie zurück, Miller!«
»Aber ich meine, wir wollten doch …«
»Na los, tun Sie, was ich Ihnen sage.«
»Ja, schon gut.«
Ich war froh, die anderen hinter mir zu wissen. Und es lag zudem auf der Hand, dass Sariel sich zeigen musste, wobei ich hoffte, dass er nicht hinter mir erschien.
Meine Blicke bohrten sich in die Dunkelheit. Nichts war zu sehen, nichts war zu hören – oder doch …?
Ja, vor mir bewegte sich etwas. Es sah so aus, als würde etwas aus der Dunkelheit herausgezogen, das sich dann zu einem neuen Gegenstand formte.
Nein, das war kein Gegenstand.
Vor mir stand Sariel.
Er hatte von seinen zwei Gestalten gesprochen. Jetzt zeigte er sich in seiner anderen, und ich wusste, dass er nun zu den Söhnen der Finsternis gehörte …
***
Er sah anders aus, ganz anders!
Zwar hatte er noch seine Flügel, die auch über seine Schultern ragten, aber sein Aussehen hatte sich verändert. Er war pechschwarz. Eigentlich hätte er von der dunklen Umgebung verschluckt werden müssen. Das war nicht der Fall, denn sein Körper gab einen matten Glanz ab, als sei er mit einer Lederkleidung bedeckt, die man zusätzlich noch mit Fett eingerieben hatte.
Und sein Gesicht?
Eine schwarze Masse, aber auch mit diesem Glanz versehen, der überall vorhanden war.
Der böse Glanz der Hölle!, kam mir in den Sinn.
Für mich war nicht zu erkennen, wie weit diese Gestalt von mir entfernt stand. In der Finsternis hatte ich damit so meine Probleme, aber ich wollte auch nicht warten, bis er sich zu einem Angriff entschloss.
Ich hob die rechte Hand und drehte sie so, dass er auf mein Kreuz schauen musste. Aufgrund des zuckenden Lichts war es deutlich zu sehen, und ich konnte es von der Seite her betrachten.
»Bist du wirklich so mächtig,
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