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1689 - Engel der Ruinen

1689 - Engel der Ruinen

Titel: 1689 - Engel der Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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getroffen und eine fausttiefe Wunde hinterlassen. Es war in den Bauch eingedrungen und garantierte dem Mann ein längeres und qualvolles Sterben.
    Der Blick des Engels fiel in das Gesicht. Von der normalen Haut war nicht mehr viel zu sehen. Auf ihr lag eine Kruste aus Staub und Schweiß. Der Mund stand offen. Die Lippen sahen aus wie rissige Schlauchstücke. Das Stöhnen klang einfach nur schlimm, und es wollte auch nicht aufhören.
    Der Engel wusste nicht, ob der Mann ihn bemerkt hatte. Trotz des schlimmen Ausdrucks im Gesicht war zu sehen, dass es sich noch um einen jungen Menschen handelte. Älter als zwanzig Jahre war er bestimmt nicht. Den Helm hatte er verloren, sodass sein dichtes schwarzes Haar freilag.
    »Kannst du mich hören?« Der Engel hatte leise gesprochen und wartete auf eine Reaktion, die allerdings nicht erfolgte, nur das Stöhnen klang weiterhin auf.
    Ein Blick in die Augen sorgte dafür, dass der Engel Bescheid wusste. Dieser so schwer Verwundete würde die Welt wie durch einen Schleier sehen, wenn überhaupt. Aber das Sehen hatte nichts mit dem Hören zu tun, und deshalb wiederholte der Engel die Frage.
    Und jetzt reagierte der Soldat. Das Stöhnen wurde leiser, dann verstummte es ganz, und der Mann bemühte sich, eine Reaktion zu zeigen, denn er quälte sich eine Frage ab.
    »Wer bist du?«
    »Dein Retter.«
    Ein leises Lachen folgte. »Mich kann niemand retten. Es ist vorbei. Sie haben mir in den Bauch geschossen, gelacht und mich die Böschung hinabgestoßen. Ich sterbe nicht nur, ich krepiere.« Ein schwerer Hustenanfall erschütterte ihn, bevor er wieder in sich zusammensackte und die Augen schloss.
    »Warum willst du sterben?«
    Der Soldat brauchte Zeit, um die Antwort zu finden. Dann fragte er mit kaum zu verstehender Stimme. »Wie kannst du so etwas fragen? Willst du mich vor dem Tod noch verhöhnen?«
    »Nein, das will ich nicht.«
    »Warum bist du dann hier?«
    »Weil ich dir helfen will.«
    Der Soldat hatte die Antwort gehört. Allein, ihm fehlte der Glaube daran.
    »Das kann doch nicht wahr sein«, flüsterte er und riss sich dabei hart zusammen. »Mir kann niemand mehr helfen, ist das klar? Ich werde hier krepieren, und ich will, dass du mich allein lässt. Geh zu deinen Freunden. Sag ihnen, dass sie auch den Letzten erwischt haben. Oder geh zu meinen Eltern und Verwandten. Dort kannst du erklären, dass Josip Milic elendig krepiert ist. Und sag ihnen auch, dass ich diesen verdammten Krieg nicht gewollt habe.«
    »Das werde ich nicht tun!«, erklärte der Engel. »Ich habe dir erklärt, dass ich dir helfen will, und das solltest du mir wirklich glauben.«
    »Aha. Und wer bist du, dass du so etwas von dir behaupten kannst?«
    »Ich kann auch ein Heiler sein.«
    Über diese Antwort musste Milic erst mal nachdenken. Er hatte seine Augen wieder geöffnet, und doch war er nicht in der Lage, die nahe Umgebung klar zu sehen. Er erkannte nur einen Schatten, der sich in seiner Nähe aufhielt, und doch bekam er mit, dass dieser Schatten menschliche Umrisse hatte.
    »Wer bist du? Hast du einen Namen?« Er brachte beide Fragen nur gequält hervor, denn erneut war ein Schmerzstoß durch seinen Körper gezuckt.
    »Ich heiße Sariel.«
    Wieder das Husten. »Ja, das glaube ich dir. Aber ich habe den Namen noch nie gehört.«
    »Das ist auch nicht möglich, denn er ist einmalig.«
    »Kann ja sein. Und jetzt weiß ich alles. Ich sehe dich nicht mehr klar, aber ich spüre, dass du nicht zu meinen Feinden gehörst. Es tut sogar gut, am Ende des Lebens so etwas zu sehen. Und jetzt lass mich in Ruhe sterben.«
    »Es tut mir leid, aber ich kann deinem Wunsch nicht nachkommen.«
    Wieder keuchte Milic. »Verarsch mich doch nicht. Das kann ich dir nicht glauben. Ich liege im Sterben. Kein Mensch kann mich noch retten. Sollest du Arzt sein, auch dann nicht.«
    »Ich bin kein Arzt.«
    »Umso schlimmer.«
    »Ich bin ein Engel …«
    Milic hatte in diesem Augenblick einen klaren Moment. Jedes Wort war von ihm überdeutlich verstanden worden, und er schaffte es sogar, seine Augen noch weiter zu öffnen.
    »Hast du gehört?«
    »Ja, habe ich.«
    »Und?«
    »Das ist – ich weiß nicht. Bin ich denn schon tot? Stehe ich an der Pforte, wo mich die Engel erwarten und mich in den Himmel führen? Oder auch hinab in die Hölle?«
    »Nein, du lebst noch.«
    »Aber du bist ein Engel.«
    »Das habe ich dir schon gesagt.«
    Josip Milic wollte anfangen zu lachen, was ihm nicht so recht gelang. Dafür stöhnte er auf und

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