1694 - Das Horror-Bett
nicht mehr, sich auf den Beinen zu halten. Ein kräftiges Schütteln erfasste sie, und nicht mal eine Sekunde später kippte der Henker zurück.
Die Templer im Garten und an den Fenstern sahen, wie er rücklings auf den Boden prallte. Und nicht nur mir rollte ein Stein vom Herzen, denn jetzt hatte ich es geschafft.
Ich hatte nicht mal gezählt, wie viele Kugeln ich verschossen hatte. Das spielte auch keine Rolle. Wichtig war, diesen verfluchten Henker am Boden zu sehen.
Eine gewisse Auszeit nahm ich mir. Dann ging ich mit langsamen und auch leicht zittrigen Bewegungen auf die am Boden liegende Gestalt zu, in deren Körper meine Silberkugeln ihre Wunden hinterlassen hatten.
Ich blieb stehen, als ich beinahe seine Füße berührte, und senkte den Blick, denn ich wollte seine Augen sehen. Erst deren Ausdruck würde mir klarmachen, dass ich ihn endgültig erledigt hatte.
Ich sah ihn an.
Die letzte Kugel hatte ein größeres Loch hinterlassen. Aus ihm trat allerdings kein Blut hervor. Ich sah auch keine Gehirnmasse. Bei ihm war alles anders als bei einem normalen Menschen.
Vernichtet oder nicht?
Der Gedanke war kaum in meinem Kopf aufgezuckt, da erhielt ich die Antwort, und sie gefiel mir gar nicht.
Seine Augen waren nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Ebenso wenig wie sein Mund. Mir fiel das Zucken der Mundwinkel auf, die dann zu einem Grinsen erstarrten. Ich sah auch den Blick in seinen Augen, der plötzlich vorhanden war, und da wusste ich, dass auch der Kopfschuss ihn nicht vernichtet hatte.
Er war mächtiger als jeder Zombie, das wurde mir jetzt erst richtig klar. Der Teufel hatte ihn stark gemacht und er dachte nicht daran, seinen Plan aufzugeben.
Auf einmal zog er die Beine an, drückte seine Hacken gegen den Boden und schwang sich auf die Füße. Er brauchte nicht mal Hilfe, alles lief geschmeidig ab, und ich erschrak so stark, dass ich rasch zwei Schritte zurückwich.
Dann ging er vor.
Er hatte mich nicht vergessen. Seinen Plan würde er bis zum Ende durchziehen. Ich war sein Feind, und der musste vernichtet werden. Es war gut, dass ich Abstand zwischen uns gebracht hatte, denn mit seinen violetten Händen griff er nach mir.
Selten hatte ich mein Kreuz so vermisst wie in diesem Augenblick. Angeschossen setzte der Henker seinen Weg fort. In der Nähe rotteten sich einige Templer zusammen. Ich sah ihre Waffen. Einer von ihnen hatte sogar ein Schwert mitgebracht. Er wollte Hugo Farina den Kopf abschlagen, rannte auf ihn zu und holte schon aus, als sich der Henker umdrehte. Er hatte instinktiv erfasst, was da auf ihn zukam.
Das Schwert raste auf ihn nieder.
Es traf den Körper nicht. Farina wehrte ihn mit einer schnellen Armbewegung ab. Die Schläge trafen den Templer im Nacken, bevor er richtig zuschlagen konnte. Sein Schrei erstickte, als er zu Boden ging, und sofort wirbelte der Henker herum.
»Jetzt hole ich dich!«
Das war kein leeres Versprechen, denn einen Atemzug später warf er sich auf mich zu …
***
Das, was Suko jetzt tat, war normalerweise der Job seines Freundes John Sinclair. Aber hier gab es keinen John in der Nähe. Er musste es schon allein durchziehen und konnte nur hoffen, dass es ihm auch gelang. Mit leiser und trotzdem deutlich hörbarer Stimme sprach er die alles entscheidende Formel.
»Terra pestem teneto – salus hic maneto …«
Jetzt kam es darauf an, ob das Kreuz bereit war, ihn zu akzeptieren. Bei John war das kein Problem, bei sich selbst war Suko sich alles andere als sicher.
Er wartete ab, er musste Geduld haben, was ihm normalerweise nicht schwerfiel. Hier allerdings war es anders, denn das Kreuz zeigte keine sofortige Reaktion.
Suko war enttäuscht. Er flüsterte etwas vor sich hin, was er selbst nicht verstand – und bekam große Augen, als er sah, dass der Talisman endlich reagierte.
Er leuchtete auf.
Helles Licht rann zuckend an den Balken entlang. Es erreichte auch die Enden, auf denen die Initialen der vier Erzengel verewigt waren, und das Licht blieb nicht allein auf das Kreuz beschränkt. Es löste sich von ihm und fing an zu wandern. Es huschte nach allen Seiten, glitt über das Bett, dessen Decke plötzlich aussah, als wäre sie mit Wasser übergossen worden.
Suko war sprachlos geworden. Er hielt den Atem an und schaute nur zu.
Das Licht übergoss das gesamte Bett. In der Mitte malte sich deutlich das Kreuz ab, aber es geschah noch mehr. Was die Kraft der Hölle über Jahrhunderte erhalten hatte, wurde von dieser wunderbaren Helligkeit
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