17 - Das Konzil der Verdammten
schlugen die Wächter mit ihren Peitschen auf die Menge ein. Verbas von Peqini brüllte sinnlose Befehle, und zwei von den Kerlen gelang es endlich, die Frauen beiseite zu stoßen und den beiden hinterherzujagen.
Fidelma und Valretrade liefen so rasch, wie es ihnen in der Dunkelheit und in dem engen Gang möglich war. »Weißt du, wo diese Gasse hinführt?«, keuchte Fidelma, als sie in ein Gewirr kleiner Quergänge gerieten.
»Ja. Es ist nicht mehr weit. Ich weiß, wo wir uns verstecken können.« Zielsicher trabte Valretrade durch die verschlungenen Pfade und engen Durchfahrten, bis Fidelma total die Orientierung verloren hatte und sich voll und ganz auf ihre junge Gefährtin verlassen musste. Plötzlich blieb sie vor einem Holztor in einer schwarzen Steinwand stehen, hauchte atemlos: »Geschafft!« und griff nach der Klinke. Knarrend ging das Tor auf. Valretrade glitt hinein und zog Fidelma hinter sich her. Sobald sie drinnen waren, legte sie den Sperrbalken vor.
Sie befanden sich auf einem kleinen Hof; ein paar Hühner gackerten aufgeschreckt, blieben aber sitzen, eine angepflockte Ziege jedoch schien ihnen die Ruhestörung zu verübeln.
»Da hinten ist ein Heuhaufen, lass uns dort erst mal verschnaufen«, flüsterte Valretrade.
Sie kauerten sich in die dunkelste Ecke, die vom Tor nicht einzusehen war. Das hätten sie keinen Augenblick später tun dürfen, denn schon hörten sie schwere Schritte und das Schnauben der Wächter, die hinter ihnen her waren. Sie lauschten bang, doch die Geräusche verklangen in der Ferne. Nun aber meckerte die Ziege, und die Hühner flatterten aufgeregt. Gleich darauf ging eine Tür auf, und ein kräftiger Mann trat in den Hof, in der einen Hand hielt er eine Laterne, in der anderen einen großen Schmiedehammer.
»Los, kommt raus, ihr Diebsgesindel«, rief er. »Nehmt euch in Acht, ich bin bewaffnet.«
Der Schein seiner Laterne streifte die Frauen in der Ecke, und er rief noch einmal: »Kommt raus, macht schon!«
Valretrade rührte sich als Erste. »Ageric – ich bin’s«, sagte sie leise.
Der Mann kam auf sie zu und hob die Laterne. »Bei allen Heiligen! Valretrade?«
Im Nu packte sie ihn am Arm. »Schnell, lass uns ins Haus und lösch das Licht. Unsere Verfolger sind in der Nähe. Ich bringe eine Freundin mit«, flüsterte sie gehetzt.
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging hinein, Valretrade und Fidelma folgten ihm, und er verriegelte die Tür.
»Wer ist da, Ageric? Was war los?« Aus dem Nebenraum tauchte eine Frau auf und blieb überrascht stehen, als sie die Gäste sah.
»Valretrade!« Beglückt schlang sie die Arme um das Mädchen. Als Valretrade sie gleichfalls umarmen wollte, bemerkte die Frau die Handschellen an ihr und wich erschrocken zurück. Der Mann hatte die Laterne auf den Tisch gestellt.
»Bei allem, was heilig ist!«, murmelte er. »Bist du aus der Abtei geflohen?«
»Ich erzähle euch alles später. Das hier ist Fidelma aus Hibernia«, sagte Valretrade. »Wir müssen Lateinisch reden, unser Burgundisch versteht sie nicht.« Und Fidelma erklärte sie: »Das sind meine Schwester Magnatrude und ihr Mann Ageric.«
»Tut mir leid, dass ich eure Sprache nicht beherrsche«, entschuldigte sich Fidelma.
Ageric gab sich Mühe, ihren Worten zu folgen. »Meine Frau und ich kommen mit Latein einigermaßen zurecht«, sagte er dann. »Es ist immer noch eine lingua franca zwischen den Leuten hier, früher war das ja eine Provinz des Römischen Reichs. Fast alle, die sich ein bisschen Bildung aneignen konnten, sprechen es mehr oder weniger gut.«
Fidelma atmete auf.
Mit besorgter Miene betrachtete Magnatrude ihre Gäste. Sie ähnelte Valretrade sehr stark, nur war sie fünf Jahre älter als ihre Schwester. Ihr dunkelhaariger Mann war ebenso alt wie sie, er war ein stämmiger Kerl mit muskelbepackten Armen und breiten Schultern. In seinem Wesen lag etwas Fröhliches, als hätte das Leben nur heitere Seiten für ihn.
»Was ist mit euch passiert? Weshalb seid ihr aus der Abtei weggelaufen? Warum haben sie euch Handschellen angelegt?«
Valretrade schüttelte den Kopf. »Jetzt alles zu erzählen, würde zu lange dauern, Schwester. Wahr ist jedenfalls, ich bin nicht aus der Abtei geflohen. Ich wurde … wir wurden … gefangen genommen und sollten als Sklaven verkauft werden. Wir beide konnten entkommen.«
Erstaunt platzte Ageric heraus: »Verkauft als Sklaven? Sklavenhändler haben doch nicht etwa die Abtei überfallen?«
Valretrade konnte nur schmerzlich lächeln.
Weitere Kostenlose Bücher