17 - Das Konzil der Verdammten
vorgeschritten, doch für ein Gespräch im Frauenhaus hätte
die Zeit noch gereicht. Eine Genehmigung, die Äbtissin zu sprechen, dürfte sie kaum vor dem nächsten Morgen erhalten. Das hieß, viele Stunden würden nutzlos vergehen. Fidelma spürte einen inneren Zwang, ihre Aufgabe hier so bald wie möglich zu Ende zu bringen und sich auf die Heimreise zu begeben; mit dem ersten Schritt, den sie in die Abtei gemacht hatte, emp
fand sie die Atmosphäre, die sie umgab, als beklemmend. »Mir will nicht einleuchten, warum du dem domus feminarum einen Besuch abstatten musst«, wiederholte der Verwalter.
»Der Mord ist hier geschehen, alle, die irgendwie damit zu tun
hatten, sind hier; warum musst du da noch mit der Äbtissin
Audofleda sprechen?«
Eadulf sah, wie Fidelmas Augen aufblitzten und es in ihrem
Gesicht arbeitete.
»Lieber Freund«, sagte er und fasste Bruder Chilperic vertraulich am Arm, »versteh bitte, wir müssen unsere Nachforschungen nach unseren Vorstellungen führen, wollen wir zu
einem schlüssigen Ergebnis zu gelangen. Bischof Leodegar
hat uns bezüglich unserer Verfahrensweise völlige Freiheit gelassen. Was wir also tun, bleibt unsere Sache, bei allem Respekt vor deiner Stellung als Verwalter und Kämmerer dieser
Abtei.«
»Dennoch muss ich mir die Erlaubnis von Bischof Leodegar einholen«, sagte der Mann halsstarrig.
Fidelma hatte zu ihrem Frohsinn zurückgefunden. »Dann
können wir heute nichts weiter machen.« An Eadulf gewandt,
meinte sie: »Da wir nun einmal hier sind, könnten wir uns doch
ein wenig in der Stadt umschauen.«
Dem stimmte Eadulf zu, aber Bruder Chilperic war bestürzt. »Ihr habt doch wohl nicht vor, euch außerhalb der Abtei zu bewegen?«, fragte er.
Fidelma runzelte die Brauen. »Spricht etwa auch dagegen
etwas?«
Der Mönch fuchtelte hilflos mit den Händen. »Der Bischof
hat keinerlei Anweisungen hinterlassen.«
»Weshalb sollte er auch?«
»Weil die allgemeine Regel gilt, niemand verlässt die Abtei
ohne Erlaubnis des Bischofs. Wenn die Gäste Fremde sind wie
ihr, brauchen sie jemand, der sie begleitet. Damit wollen wir
unseren Delegierten Schutz gewähren.«
»Derartige Regeln dürften kaum auf uns zutreffen. Steht es
denn nicht allen Delegierten frei, zu kommen und zu gehen,
wann sie wollen? Schließlich hat sich auch niemand um unsere Sicherheit gekümmert, bevor wir die Abtei betraten.« »Ich habe mich an die vom Bischof aufgestellten Vorschriften zu halten.«
Das erstaunte Fidelma; sie sah das nicht ein und machte ihrer Verärgerung Luft.
»Andere Weisungen habe ich nicht«, brummelte Bruder Chilperic.
»Ist es uns wenigstens gestattet, ohne Begleitung unser Gemach aufzusuchen?», fragte sie spitz.
Der junge Mann verzog das Gesicht, war deutlich hin- und
hergerissen zwischen seiner Pflicht gegenüber dem Bischof
und ihrem Unmut. Doch Fidelma hatte sich bereits umgedreht,
presste die Lippen zusammen und ließ ihn stehen. Eadulf folgte
ihr nach kurzem Überlegen. Er hatte Mühe, mit ihr Schritt zu
halten, während sie wütend davoneilte und ihre Tritte auf das
Pflaster knallten.
»Ich kann es nicht ausstehen, wenn man mir Beschränkungen auferlegt«, sagte sie schließlich und mäßigte ihr Tempo. »Dem jungen Mönch können wir wohl keine Schuld geben«, meinte Eadulf. »Er scheut sich, Entscheidungen zu treffen, die seinem Bischof missfallen könnten.«
»Natürlich, ihn trifft keine Schuld. Es liegt an dem Bischof. Der versucht alle hier am Gängelband zu halten und will wissen, was sie tun und lassen. Ich frage mich, wovor fürchtet der
sich?«
»Vermutlich sind die Leute hier so daran gewöhnt, dass Leodegar Regeln aufstellt und gewaltsam durchsetzt, dass sich
keiner mehr traut, selber zu denken«, suchte Eadulf zu erklä
ren.
Fidelma blieb unvermittelt stehen. »Bitte, Eadulf, geh und
suche Abt Ségdae. Ich bin sicher, er ist der Mann, der sich
nicht den Zwängen dieser Abtei unterwirft. Er möchte uns
erlauben, zu gehen und zu kommen, wann es uns beliebt, oder
uns unterstützen, falls man uns das verwehrt.«
Eadulf zögerte, zuckte die Achseln und ging. Fidelma rief
ihm hinterher: »Ich warte auf dich im Gästehaus.« Ohne zurückzublicken hob er die Hand zum Einverständnis.
In Gedanken versunken, schritt Fidelma zum hospitia . Sie
hoffte, Bischof Leodegar würde ihr nicht eine Erklärung abnötigen, weshalb sie das domus feminarum aufsuchen wollte.
Sie musste sich vergewissern, ob Bruder Sigerics Bericht
irgendwie mit den Ereignissen um Abt Dabhócs Tod in
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