17 - Das Konzil der Verdammten
langsam über den großen Innenhof auf das Hauptgebäude der Abtei zu.
»Der Arzt denkt wie ich«, sagte Eadulf schließlich. »Am
Ende kann man es so oder so sehen.«
»Gegenwärtig bin ich noch nicht bereit, mich seinem Urteil
anzuschließen«, entgegnete Fidelma verbissen. »Es braucht
seine Zeit, bis wir ausreichend Material gesammelt haben.« »Wir haben doch all die Auskünfte beisammen, die wir
überhaupt erwarten können«, beharrte Eadulf. »Andere Zeugen gibt es nicht.«
»Dann müssen wir eben deren Aussagen noch einmal sorgfältig durchgehen.«
»Zu schade, dass man Becher und Amphore weggeworfen
hat. Ein tüchtiger Apotheker hätte Giftspuren feststellen und
Ordgars Darstellung bestätigen können.«
»Ja, wirklich ärgerlich, dass der Becher verloren ist«, stimmte
ihm Fidelma zu. »Die Amphore hätte uns freilich nichts genützt.«
»Warum nicht?«
»Gift hätte man nur in dem Becher gemischt, nicht in der
Amphore, leer wie sie war, nachdem sich der Wein im Becher
befand. An dem Abend war es einfach zu spät, die Amphore
wegzuschaffen. Und selbst wenn das erst am Tag danach geschah, hätte uns das nichts genützt; die können wir also vergessen. Um den Becher aber ist es jammerschade.« Sie hatten noch nicht das Portal des Gebäudes erreicht, als
Bruder Chilperic ihnen entgegenkam.
»Ich bin auf dem Weg zu unserem Kräutergarten«, begrüßte
er sie. »Sucht ihr irgendetwas Bestimmtes?«
»Nein, das nicht, wir verschaffen uns nur etwas Bewegung.
Die Nachmittagssonne verlockt zu einem Spaziergang. Wo
ist dein Kräutergarten, Bruder Chilperic?«
»Er ist von dem des Apothekers getrennt, denn der zieht da
ganz andere Gewächse für seine Zwecke. Wenn ihr mitkommen wollt, bitte, hier vorbei.«
Sie schlossen sich ihm an. Er führte sie an der Mauer der
Abtei entlang und über einen kleinen Hof hinter dem Haupthaus zu einer freien Fläche, deren Ausmaße sie erstaunte.
Dort wuchsen in Hülle und Fülle wohlriechende Kräuter und
Gewürzpflanzen, zwischen denen zwei ältere Klosterbrüder
arbeiteten.
»Ein wunderschöner Garten«, äußerte sich Fidelma anerkennend.
»Wir erfreuen uns auch daran, und oft genug verführt uns
der Garten zum Müßiggang, wir sitzen da und sinnen über
Gottes Schöpfung, während wir doch Gottes Gebot befolgen
und ihn hegen und pflegen müssten. Möchtet ihr sehen, welche Kräuter und Gewürze hier gedeihen? Wir bauen die verschiedensten Arten an, alles für die Verköstigung unserer Mitbrüder.«
»Ich möchte nicht dem Müßiggang Vorschub leisten und
dich von der Arbeit abhalten.«
»Das tut die Sonne ohnehin schon. Doch wahrscheinlich
wollt auch ihr mit eurer Arbeit vorankommen. Wie steht es
mit euren Nachforschungen? Wird Hilfe gebraucht? Konntet ihr euch schon ein Urteil bilden?«
Eadulf schürzte die Lippen und fing an: »Wir stehen gerade
vor …«
Fidelma spürte, dass er sagen wollte »vor einer undurchdringlichen Mauer«, und hatte den Geistesblitz, seinen Satz
mit den Worten zu beenden: » … einem kleinen Problem. Doch du Bruder Chilperic, wärest der Richtige, der uns da
bei helfen könnte.«
»Ich? Meinst du das ernst?«
Sie wies mit dem Kopf zu der hohen Mauer, die die Abtei
von dem sogenannten domus feminarum trennte. »Wir hätten gern die abbatissa aufgesucht.«
»Äbtissin Audofleda?«, fragte der Verwalter erstaunt. »So heißt sie wohl«, bestätigte ihm Fidelma. »Kannst du das
arrangieren?«
»Ohne die ausdrückliche Genehmigung des Bischofs empfängt Äbtissin Audofleda niemanden von der Abtei«, murmelte Bruder Chilperic. »Außerdem begreife ich nicht, warum deine Nachforschungen sich auch ins domus feminarum
erstrecken sollten.«
»Warum mir das wichtig erscheint, ist einzig und allein meine
Entscheidung, und die muss ich niemandem begründen, solange die Untersuchung währt.«
Der Verwalter fühlte sich unbehaglich. »In einer Angelegenheit wie dieser muss ich zunächst Bischof Leodegar befragen.«
Fidelma wollte sich dagegen verwahren, begriff aber sogleich,
dass der junge Mann unfähig war, etwas ohne die Zustimmung
Leodegars zu unternehmen. Die Macht des Bischofs war nicht
zu unterschätzen. So sagte sie nur: »Dann frage ihn also. Wir
möchten nicht ungehörig erscheinen, aber könntest du seine
Erlaubnis sofort einholen?«
Bruder Chilperic zögerte. »Der Bischof hat sich zu einem
Besuch in die Stadt begeben. Vor der Abendmahlzeit wird er
nicht in die Abtei zurückkehren.«
Fidelma schaute zum Himmel. Der Nachmittag war schon
weit
Weitere Kostenlose Bücher