17 - Das Konzil der Verdammten
euren Weg«, meinte er, hob den Karren an und ging weiter.
»Wohin wolltet ihr denn?«, fragte Bruder Budnouen.
»Zurück zur Abtei«, erwiderte Fidelma hastig. »Wir wollten uns ein wenig in der Stadt umtun und müssen irgendwo falsch abgebogen sein.«
»Ach ja, ihr seid ja an große Städte nicht gewöhnt. Wie auch immer, seid unbesorgt, ich bin ohnehin auf dem Weg zur Abtei.«
»Wir wollen dich auch nicht aufhalten«, beteuerte Eadulf. »Wir hatten dich schon im Kloster gesucht, konnten dich aber nirgends finden.«
»Das dürfte euch auch kaum gelingen, ich wohne nämlich nicht dort in Bischof Leodegars Bruderschaft. Ich wohne bei einem Freund in der Stadt, unmittelbar auf der anderen Seite des Platzes vor der Abtei.«
»Da wir gerade bei Plätzen sind, der hier scheint ein besonderer zu sein«, stellte Eadulf arglos fest und wies hinter sich. »Der Mann mit dem Karren dachte, wir suchten das Haus einer gewissen Gräfin. Wie sagte der doch, hieß sie? Bertrude … nein, Beretrude, glaub ich.« Er zeigte auf den stattlichen Bau, aus dem Bruder Budnouen gerade gekommen war, und hoffte, dass dem Gallier nicht aufgefallen war, dass sie ihn beobachtet hatten. »Sie soll wohl da wohnen. Wie kommt der auf die Idee, dass wir zu ihr wollten?« Gänzlich unbefangen schaute er den Gallier an.
Bruder Budnouen machte einen nachdenklichen Eindruck. »Das ist leicht zu erklären. Gräfin Beretrude ist die bedeutendste Persönlichkeit hier in der Stadt«, sagte er dann. »Sie ist die Mutter von Graf Guntram, dem Gaugrafen, und eine äußerst einflussreiche Dame. Vermutlich hat der Mann gedacht, wenn es Fremde in diesen Teil der Stadt lockt, können sie nur auf der Suche nach ihr sein.«
Weitere Auskünfte ließ er sich nicht entlocken; offensichtlich hatte er seine Gründe, über seine Verbindung zu der Frau oder ihrem Haus zu schweigen.
»Der Mann hat uns außerdem erzählt, der Platz habe etwas mit einem heiligen Märtyrer zu tun.«
Bruder Budnouen zog eine Augenbraue hoch. »Scheint ein redseliger Mensch gewesen zu sein«, bemerkte er. Eadulf war sich nicht ganz sicher, ob in der Stimme ein leiser Argwohn mitschwang.
»Er war bestrebt, uns zu helfen«, beeilte sich Fidelma zu sagen, »wenngleich wir auf Eadulfs Übersetzungskünste angewiesen waren. Der Mann war ganz offensichtlich stolz auf den Märtyrer der Stadt.« Insgeheim gestand sie sich die Lüge ein, fand sie aber lässlich.
»Ihr spielt natürlich auf Benignus an, und was den angeht, da gibt es hier gehörigen Streit«, eröffnete er ihnen. »Wieso Streit?«
»Die einen sagen, Polycarpus von Smyrna hätte den heiligen Mann nach Divio gesandt …«
»Divio?«, fragte Fidelma, die Stirn runzelnd, zurück. »Der Ort wurde schon mal erwähnt.«
»Er liegt an die fünfzig Meilen nordöstlich von hier und befindet sich in dem alten Gebiet der Lingonen, einst ein großes Volk Galliens. Man entsandte Benignus, sie den Glauben zu lehren. Heute nehmen die Burgunden ihn für sich in Anspruch, behaupten, Benignus sei einer der Ihren. Der Geschichte nach erlitt er den Märtyrertod, und das einfache Volk huldigte ihm an seinem Grab. Bischof Gregorius von Lingonum, der Benignus nicht mochte, versuchte diese Verehrung zu unterbinden. Nun machen aber Autun und zwei weitere Städte gleichermaßen Anspruch geltend auf den heiligen Märtyrer, und alle behaupten, sein wahres Grab und seine Gebeine zu beherbergen. Daraus ist ein Streit entstanden, welcher der Städte der Vorrang gebührt. Vor hundert Jahren brachte man Abschriften des sogenannten De Gloria Martyrum in Umlauf, in denen alle diese Ansprüche festgehalten und diskutiert wurden. Jede Stadt beschuldigt die andere, mit Fälschungen und Lügen zu arbeiten. Hier in Autun glaubt man, Benignus wäre in der Nekropolis unter der Abtei bestattet, in Lingonum aber hat man über dem Grab, das als Benignus’ letzte Ruhestätte gilt, eine ganze Basilika errichtet. Und bauen lassen hat sie der nämliche Bischof Gregorius«, fuhr Bruder Budnouen unter Lachen fort, »der ursprünglich behauptet hatte, es handele sich um das Grab eines Heiden und nicht um das des Märtyrers. Man sagt, er hätte seine Meinung geändert, als er merkte, wie viel Geld die Pilger einbrachten, die dort zum Gebet zusammenströmten.«
»Und der Streit zwischen den Städten hält bis heute an?«, fragte Fidelma und konnte es nicht fassen.
»Und wird bis in alle Ewigkeit anhalten, weil keine der Städte den Beweis erbringen kann. Aber es ist ein Thema, das man bei den
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