17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
selbst, daß das letzte Erlebnis gehörig durchgesprochen wurde.
Nur Halef blieb einsilbig. Er konnte seine Gefühle und Gedanken nicht verheimlichen; darum wußte ich, daß er bald kommen werde, um mir Vorwürfe zu machen. Und wir waren noch keine Stunde wieder unterwegs, so kam er an meine Seite und fragte in seinem freundlichsten Ton:
„Sihdi, willst du mir wohl eine Frage aufrichtig beantworten?“
„Sehr gern, mein lieber Halef.“
„Meinst du, daß ich heute meine Sache gut gemacht habe?“
„Vortrefflich.“
„Ich bin also tapfer gewesen und habe deine Zufriedenheit erworben?“
„Im vollsten Maß.“
„So sind aber wohl Omar und Osco noch tapferer gewesen, als ich?“
„O nein, obgleich auch sie ihre Schuldigkeit vollauf getan haben.“
„Aber du hast sie doch so sehr vor mir ausgezeichnet!“
„Das wüßte ich nicht.“
„Du hast ihnen doch die Schecken gegeben! Omar hat nur einen Feind besiegt, Osco zwei und ich tat's sogar mit dreien!“
„Allerdings mit meiner Hilfe, Halef.“
„Hast du nicht auch Osco geholfen? Warum hat denn er einen Schecken bekommen und nicht ich? O Sihdi, ich bin dein Freund und Beschützer und habe geglaubt, daß du mich liebst. Nun aber finde ich, daß andere dir mehr gelten.“
„Du täuschst dich, Halef. Du bist mir der liebste von allen.“
„Das hast du heute bewiesen. Wer wird stolz sein auf Osco, wenn er auf dem Schecken durch die Czernagora reitet? Wer wird sich freuen über Omars Pferd? Er hat keine Verwandten, er ist jetzt vollständig fremd in der Welt. Ich gönne ihm die Freude, denn er ist ein braver Kamerad und ich habe ihn sehr lieb. Aber denke einmal an Hanneh, an mein Weib, die Rose der Frauen, die sanfteste und zarteste unter den Töchtern der Mütter und Großmütter! Wie würde sie entzückt sein, und wie würde ihr Stolz sich erheben, wenn ihr Hadschi Halef, der Tapferste der Tapfern, geritten käme auf einem erbeuteten Schecken der Aladschy! Sie würde von Zelt zu Zelt eilen um zu verkündigen: ‚Er ist zurückgekehrt, mein Gemahl und Gebieter, der Held unter den Heldenhaftesten, der Mann unter den Männlichsten, der Kriegerischste unter den Streitbaren! Er ist da, der tötende Säbel, der Vater des Sieges, der Bruder und Schwager des Triumphes. Er hat den Erdkreis umritten und Sieg um Sieg erfochten. Er hat mit wilden Bestien und mit starken Menschen gekämpft, und niemand hat ihn zu überwinden vermocht. Sogar den Bären hat er getötet und seine Tatzen verzehrt. Jetzt ist er heimgekehrt auf dem Scheckigsten der Schecken, den er erobert hat von den Gewaltigsten unter den Anführern der Räuber. Sein Sihdi, den ihr alle kennt, hat ihm dieses herrliche Pferd verehrt als Preis seiner Tapferkeit, als Lohn seiner Stärke und als Zeichen seines unvergänglichen Ruhmes gegeben. Preis sei diesem Sihdi, dem Gerechten, der nach Verdienst belohnt, und Ehre sei meinem Herrn, Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah!‘ So würde sie sagen, und alle Söhne der Araber würden einstimmen auf deine Unparteilichkeit und herrliche Strophen auf den Glanz deines Biedersinnes. Nun aber ist das unmöglich, denn du hast mich mißachtet und mir die verdiente Belohnung vorenthalten!“
Sein Schmerz erging sich in sehr überschwenglichen Ausdrücken. Es war ihm Ernst damit, obgleich es mir heimlich Spaß bereitete. Ich besaß das beste Mittel, ihn sogleich aufzurichten, und in die größte Wonne zu versetzen. Darum sagte ich:
„Du irrst. Ich habe dich nicht zurückgesetzt. Ich hatte vielmehr die Absicht, deine Dienste noch ganz anders zu belohnen. Osco und Omar sollten dich beneiden.“
„Wie können sie mich beneiden, wenn sie die Schecken besitzen?“
„Du sollst ein Pferd haben, welches fünfzigmal mehr wert ist, als die Schecken der Aladschy zusammen.“
„Ich? Welches Pferd sollte das sein?“
„Das errätst du nicht?“
„Nein, Sihdi!“
„So muß ich es dir sagen. Ich werde dir, wenn wir scheiden, meinen Rih schenken. Du sollst ihn zu Hanneh bringen, der Holdesten der Holden.“
Das gab ihm einen solchen Ruck, daß er sein Pferd anhielt und mich offenen Mundes anstarrte.
„Sihdi“, stieß er hervor, „habe Erbarmen mit mir! Wenn du sagst, daß Rih mein Eigentum sein soll, so machst du mich unglücklich!“
„Unglücklich? Warum?“
„Weil es nicht wahr sein kann. Kein Mensch verkauft ein solches Pferd!“
„Ich will es ja nicht verkaufen, sondern dir schenken!“
„Kein Mensch wird es
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