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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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davon lagen diese Zeitungsblätter. Den Ring hatte der Mörder nicht gesehen, sonst hätte er ihn an sich genommen; das Papier aber hatte er als wertlos weggeworfen.“
    „Mein Gott, mein Gott! Endlich erhalte ich Klarheit, aber welche! Bist du denn dem Mörder nicht nachgefolgt?“
    „Ja, und ich traf ihn auf dem Schott, wo wir über die grausige, entsetzliche Salzhaut des Sees ritten. Da erschoß er auch unsern Führer, den Vater Omars, der jetzt mit uns reitet, um seinen Vater an dem Mörder zu rächen. Und dann trafen wir ihn noch einmal; es gelang ihm aber, uns zu entkommen, was ihm jetzt nicht wieder gelingen wird.“
    „Jetzt, jetzt? Ist er denn hier?“
    „Natürlich! Es ist jener Hamd en Nassr, eigentlich Hamd el Amasat.“
    „O Himmel! Ist das möglich? Hamd el Amasat ist der Mörder meines Bruders und dessen Sohnes?“
    „Ja. Halef war dabei und hat alles gesehen. Er mag es dir erzählen.“
    Darauf hatte der Hadschi gewartet. Er erzählte gar so gern. Darum drängte ich mein Pferd vorwärts zu Ranko und ließ die beiden allein. Bald hörte ich Halefs laute, pathetische Stimme erschallen.
    Mittlerweile waren wir immer im Galopp über die Hochebene hinweggefegt und gelangten zwischen bewaldete Höhen, wo wir wieder langsamer reiten mußten. Als ich mich umschaute, sah ich Halef, Galingré und Omar beisammen, welche das unheilvolle Thema weiter besprachen. Ich hielt mich voran, denn ich hatte keine Lust, an ihren Racheplänen teilzunehmen.
    Es begann zu dämmern, als der Wald sich wieder abwärts senkte, und es war dunkel, als wir in das steile Tal der Joska ritten und die Lichter von Pacha vor uns sahen.
    Das erste Haus war kein Haus. Es wäre sogar eine Überschwenglichkeit gewesen, es eine Hütte zu nennen. Aus dem offenen Loch, welches ein Fenster bedeuten sollte, leuchtete die Flamme des Herdes. Ich ritt hin und rief hinein. Auf diesen Ruf erschien etwas Rundes, Dickes vor dem Loch. Ich hätte es am liebsten für ein Werg- oder Heubündel gehalten, wenn nicht aus der Mitte dieses Gewirrs eine menschliche Stimme erklungen wäre:
    „Wer ist draußen?“
    Das vermeintliche Werg oder Heu war die reizende Haarfrisur des Sprechenden.
    „Ich bin ein Fremder und möchte dir eine Frage vorlegen“, antwortete ich. „Wenn du dir fünf Piaster verdienen willst, so komm heraus!“
    „Fü-fü-fünf Piaster!“ schrie der Mann, ganz entzückt über diese außerordentliche Summe. „Ich komme gleich, gleich! Warte! Lauf mir ja nicht fort!“
    Dann erschien er unter der Tür – ein kleiner, dünner, säbelbeiniger Kretin mit einem ungeheuren Kopf.
    „Du bist nicht allein?“ fragte er. „Ihr werdet mir doch nichts tun! Ich bin ein armer, ein blutarmer Mann, der Hirt des Dorfes.“
    „Habe keine Sorge! Wenn du uns Auskunft gibst, sollst du sogar zehn Piaster bekommen.“
    „Zeh-zeh-zeh-zehn Piaster!“ rief er erstaunt. „O Himmel! Zehn Piaster gibt mir der Wirt für das ganze Jahr, und auch noch Schläge dazu.“
    „Wofür?“
    „Daß ich ihm seine Schafe weide.“
    „Er ist also wohl kein guter und auch kein freigebiger Mann?“
    „Nein, gar nicht. Er greift viel lieber zur Peitsche als zum Beutel, und wenn er mir Essen gibt, erhalte ich nur das, was andere nicht wollen.“
    Ich fragte nach dem Wirt, weil ich mir denken konnte, daß der Schut bei ihm eingekehrt sei. Der Hirt war keineswegs ein junger Mensch, aber er schien mir geistesschwach oder wenigstens kindisch zu sein. Vielleicht war eben deshalb bei ihm mehr zu erfahren als bei einem andern.
    „Du weidest wohl die Schafe des ganzen Dorfes?“ erkundigte ich mich weiter.
    „Ja, und jeder gibt mir für einen Tag das Essen, mir und meiner Schwester, die drin am Feuer sitzt.“
    „So seid ihr stets hier im Dorf und kommt nirgends hin?“
    „O, ich komme schon fort, oft weit, wenn ich die Schafe forttreiben muß, welche verkauft worden sind. Vor einiger Zeit war ich in Rugova und sogar nach Gori bin ich gekommen.“
    Nach Gori mußten wir reiten. Das war mir also interessant.
    „In Rugova?“ fragte ich. „Bei wem denn?“
    „Im Kara-Nirwan-Khan.“
    „Kennst du den Wirt desselben?“
    „Oh, den kennt jeder! Ich habe ihn sogar heute gesehen, und meine Schwester auch, die drin am Feuer sitzt.“
    „Ah, so war er hier in Pacha?“
    „Ja; er wollte noch weiter. Er ließ sich vom Wirt Waffen geben, weil er keine bei sich hatte.“
    „Woher weißt du das?“
    „Ich habe es ja gesehen.“
    „Aber was er mit dem Wirt gesprochen hat, das

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