17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
Turbantuch und war ganz entzückt darüber. Für Hanneh, die Prächtigste unter den Herrlichen, waren ein rotseidenes Gewand, ein Fingerring, zwei Ohrenreife, eine Halskette und ein aus Gold- und Silbermünzen bestehender Haarschmuck bestimmt. Wir sahen später, daß ihr Entzücken darüber ein außerordentliches war. Andere Frauen erhielten auch Geschenke, und ebenso wurden diejenigen Männer bedacht, welche früher mit uns in nähere Berührung gekommen waren.
Das Festmahl wurde im Freien gehalten. Es bestand meist aus denselben Gerichten, welche von früher her bekannt sind, da ich sie damals beschrieben habe. Nach dem Essen bat uns Amad el Ghandur, mit in sein Zelt zu kommen, wo er uns eine Bitte vorzutragen habe. Es versammelten sich dort die Ältesten des Dorfes. Malek und Halef waren auch dabei. Daß mein Hadschi mit hinzugezogen wurde, freute mich außerordentlich, denn ich ersah hieraus, daß er es verstanden hatte, sich in den Stamm einzuleben und die Achtung desselben zu erwerben.
„Emir“, begann der Scheik, „Ihr seid grad in einem wichtigen Augenblick zu uns gekommen. Kannst du dich noch erinnern, an welchem Tag mein Vater, der Scheik Mohammed Emin der Haddedihn vom Stamm der Schammar, gestorben ist?“
„Sehr genau. Es war am zwölften Tag des Monats Haziran.“
„So ist es. Es sind darüber acht Jahre vergangen, und noch ist niemand an seinem Grab gewesen, um die Gebete der Freundschaft und Verwandtschaft zu verrichten. Das läßt mich nicht länger ruhen. Ich will hinauf in die Berge, meine Pflicht zu tun, und der Stamm hat beschlossen, daß eine Anzahl tapferer Krieger mich begleiten solle, damit die Andacht in der Weise geschehe, wie es eines so berühmten Scheiks würdig ist. Wir wollten heut schon aufbrechen, ich mit zwanzig Mann, nachmittags um die Zeit des Asr; darum feierten wir gestern abend den Abschied bis in die Nacht hinein; unsere Wächter waren davon ermüdet, und so konnte es den Hunden der Abu-Ferhan glücken, unsere zwei besten Pferde zu stehlen. Nun seid ihr gekommen; die Gastfreundschaft gebietet uns, bei euch zu bleiben, und doch wollen wir am Todestag des Scheiks an seinem Grab sein. Wir bitten dich, uns einen Rat zu geben, welcher von diesen beiden Pflichten wir folgen sollen.“
„Derjenigen, welcher ihr vor unserm Kommen folgen wolltet“, antwortete ich, kurz entschlossen.
„Du sagst, wir sollen hinauf in die Berge ziehen? Dann habt ihr nur gewöhnliche Krieger hier, die euch nichts bieten können.“
„Du irrst. Wir werden die Besten eures Stammes bei uns haben, nämlich euch.“
„Uns? – Wieso?“
„Das fragst du noch, Scheik? Ist nicht Mohammed Emin mein Freund und Bruder gewesen? Haben wir nicht nebeneinander gegen die Feinde der Haddedihn gekämpft? Sind wir nicht miteinander geritten wochenlang und haben Freud und Leid, Gefahren und Entbehrungen miteinander geteilt? Bin ich nicht an demselben Tag verwundet worden, an welchem Allah ihn zu sich rief? Habe ich ihn nicht mitbestattet und über seinem Grab die Sure der Auferstehung gesprochen? Habe ich also nicht ein Recht, mit euch zu ziehen? Ist es nicht meine Pflicht, mit euch den Freund zu besuchen, der mich mit Liebe überschüttete und mir so teuer war.“
„Emir, du willst mit, wirklich mit?“ rief da Amad el Ghandur freudig aus.
„Ja. Hoffentlich erlaubt ihr es mir!“
„O Allah, welche Frage! Ob wir dir es erlauben! Wir wagten nur nicht, dich darum zu bitten, da du für uns schon so viel getan hast. Nun können wir sicher sein, daß wir alle Fährlichkeiten überwinden werden.“
„Sind deren jetzt ungewöhnliche vorhanden?“
„Nicht mehr als sonst.“
„Welchen Weg wollt ihr einschlagen?“
„Denjenigen, welcher dir recht ist. Wir werden uns nach deinem Willen richten. Wir hatten beschlossen, nicht direkt nach der Grabstätte zu reiten. Meine Krieger wollten unsern damaligen Weg kennenlernen, um die Stätten zu betreten, an denen er in seinen letzten Tagen weilte; das glaubten sie, ihm schuldig zu sein, und ich war einverstanden, weil ich dasselbe Bedürfnis fühlte. Darum wollten wir hinüber nach dem Zagrosgebirge, zunächst zu dem Tschirmarwald, an welchem wir Heider Miriam trafen. Das war die erste Stufe hinauf zu dem hohen Grabmal meines Vaters Mohammed Emin.“
„Ich bin einverstanden, denn auch ich möchte die Orte einmal wiedersehen, die wir damals berührten. Aber wie steht es mit den Bebbehkurden? Sie waren unsere Feinde; du hast den Tod deines Vaters an ihnen
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