17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
‚verächtlichen Schweines‘ zu essen, so hätte ich jedenfalls die Ausdrücke seines höchsten Zornes zu hören bekommen und auf seine fernere Begleitung verzichten müssen. Die Berührung einer einzigen Schweinsborste verunreinigt den Moslem und verpflichtet ihn zu sorgfältigen Waschungen. Und jetzt wollte Halef das Fleisch des verachteten Tieres gar in seinem Körper aufnehmen! Ohne es zu ahnen, war er durch sein Zusammenleben mit mir nicht nur in bezug auf seine Anschauungen, sondern auch betreffs der Befolgung vorgeschriebener Regeln ein sehr lässiger Bekenner des Islam geworden.
„Nun?“ fragte er, als ich nicht gleich antwortete. „Muß ich zweifeln, ob du meine Bitte erfüllen wirst, Sihdi?“
„Nein, Halef. Wenn der Drache Ischtah (Appetit) in deinem Körper wütet, so muß ich dich, da ich dein Freund bin, von diesem Übel erlösen. Du sollst nicht ewig die Qualen erdulden, welche er dir bereitet. Ich werde also mit der Frau sprechen.“
„Tu das, ja tu es! Denn es steht geschrieben, daß Allah jede Wohltat, welche ein Mensch dem anderen erweist, tausendfach vergelten wird.“
„So meinst du, daß Allah mich tausendfältig belohnen werde dafür, daß ich dir von dem Fleisch des Schweines kaufe?“
„Ja, denn er hat dem Propheten nicht den Befehl gegeben, den Genuß dieser Speise zu verbieten, und wird sich also darüber freuen, daß ich diesem unschuldigen Tier die wohlverdiente Ehre erweise.“
„Ich glaube aber nicht, daß das Schwein es als eine große Ehre empfinden wird, zu Wurst und Schinken verarbeitet zu werden.“
„Das ist ja aber seine Bestimmung, und jedes Geschöpf, welches seine Bestimmung erfüllt, ist glücklich zu preisen. Der Prophet sagt, das Sterben sei Glück; also ist das Schlachten des Schweines das Beste, wonach es sich sehnen kann. Nun gehe zur Frau; laß aber die andern ja nicht sehen, was du bringst. Ich werde von der andern Seite des Hauses zu ihnen zurückkehren, denn sie brauchen gar nicht zu wissen, daß wir hier miteinander gesprochen haben.“
Er ging. Ich sah, daß das Haus auch von hinten eine Tür hatte, und trat durch dieselbe ein.
Es hatte bisher den Anschein gehabt, daß sich die Wirtin allein daheim befände. Darum wunderte ich mich, als ich jetzt zwei Stimmen vernahm. Ich blieb stehen, um zu horchen. Der Konakdschy war es, welcher mit der Frau sprach, und zwar verstand ich alles ziemlich genau. Die Wirtin bediente sich zwar ihrer Mundart, gab sich aber Mühe, von ihm verstanden zu werden, was natürlich auch mir zugute kam.
„Also sie sind hier eingekehrt“, sagte er. „Haben sie dir nicht gesagt, daß auch wir kommen würden?“
„Ja, doch nicht, daß du auch dabei sein würdest. Sie erzählten mir, daß deine Begleiter sehr böse Menschen seien. Darum wollte ich ihnen nichts zu trinken geben.“
„Das war falsch von dir. Grad weil sie so gefährliche Leute sind, muß ich mit ihnen freundlich sein, und auch du darfst nicht merken lassen, daß du sie durchschaust. Hast du vielleicht einen Auftrag an mich auszurichten?“
„Ja. Du sollst durchaus nicht hier übernachten, selbst dann nicht, wenn ihr erst spät hier ankommen würdet. Du sollst vielmehr mit ihnen bis zu Junak reiten.“
„Wird dieser daheim sein?“
„Ja. Er war erst vorgestern hier und erzählte, daß er sein Haus für einige Zeit nicht verlassen werde.“
„Befanden sich die Reiter alle wohl?“
„Nein. Der alte Mann, welcher den Arm gebrochen hatte, wimmerte unaufhörlich. Sie mußten ihm den Verband abnehmen, um den Arm mit Wasser zu kühlen. Als er wieder zu Pferd stieg, hatte er das Sowuk farsmaki (‚Kaltes Schütteln‘, Fieber) und wankte im Sattel. Wirst du mit diesen Fremden lange hier rasten?“
„Wir werden gleich wieder aufbrechen. Sie dürfen auch nicht wissen, daß ich mit dir von den Reitern und von Junak gesprochen habe; darum will ich gehen.“
Ich hörte, daß er sich entfernte, und trat selbst auch für eine Minute aus dem Haus. Das Weib sollte nicht denken, daß ich etwas gehört habe.
Wer war dieser Junak? Der Name ist serbisch und bedeutet so viel wie das deutsche Wort Held, welches ja auch als Name gebraucht wird. Wahrscheinlich war der Kohlenhändler gemeint, welcher mit den Erzeugnissen des Köhlers Scharka hausieren zu fahren pflegte.
Als ich dann lauten Schrittes wieder eintrat, kam mir die Frau entgegen, und ich teilte ihr meinen Wunsch mit. Sie zeigte sich zur Erfüllung desselben bereit, erkundigte sich jedoch, indem sie mich
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