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17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut

Titel: 17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht dazu. Wenn es wirklich ein Bär ist, der hier war, so kam er nur her, um von den süßen Beeren zu naschen. Als Raubtier hat er es vorgezogen, dabei im Gestrüpp versteckt zu sein. Der Instinkt gebietet ihm, am Tage offene Stellen zu meiden. Daraus erklärt sich, daß die Früchte da, wo sie viel leichter zu haben sind, nicht abgepflückt wurden. Also komm! Halte aber immerhin deine Flinte schußfertig. Selbst ein Bär kann einmal von seinen Gepflogenheiten abweichen.“
    Ich nahm die Büchse und drang, von Halef gefolgt, in das Dickicht ein. Die durch dasselben gebrochenen Gänge glichen, natürlich in höchst verkleinertem Maßstab, den ‚Straßen‘, welche die Büffel durch das reiterhohe Gras der Prärie treten. Das niedergebrochene Geäst und Gezweig lag wie festgestampft. Petz mußte ein gewaltiger Kerl sein.
    Wir waren kaum zehn Schritte gegangen, so fand ich den Beweis, daß wir es in Wirklichkeit mit einem braunen Bären zu tun hatten. Eine Locke seines Pelzes war an Dornen hängengeblieben.
    „Schau!“ machte ich Halef aufmerksam. „Was ist das hier?“
    „Das sind Pelzhaare.“
    „Aber von was für einem Pelz?“
    „Vom langwolligen Schaf.“
    „Ja, und dieses Schaf wird im gewöhnlichen Leben Bär genannt.“
    „Kaddaisch' haßi kbir – wie froh bin ich Herr, mach schnell vorwärts, damit wir ihn erwischen.“
    Das Jagdfieber packte ihn.
    „Nur Geduld! Wir wollen uns erst einmal diese Locke genau betrachten.“
    „Wozu?“
    „Um vielleicht zu erfahren, wie alt er ist.“
    „Läßt sich das aus diesen wenigen Haaren vermuten?“
    „Ja, so ziemlich. Je jünger der Bär, desto wolliger ist sein Fell. Sehr alte Bären haben keine Unterwolle mehr und der Pelz wird so schäbig und dünn, daß er sogar nackte Stellen zeigt. Schau einmal her! Ist diese Locke wollig?“
    „Nein; das Haar ist fast schlicht.“
    „Es ist auch nicht gleich stark und nicht gleich gefärbt. Da, wo es im Fell steckte, ist es dünner als oben und fast ohne Farbstoff. Das ist ein Zeichen, daß die Haut das Haar nicht mehr zu nähren vermag. Dieser Bär ist ein sehr alter Bursche. Ich mag dir nicht wünschen, von ihm umarmt zu werden. Bei diesem Alter und in der jetzigen Jahreszeit kann er gern und gut an vier Zentner wiegen.“
    „Allah! Und wie schwer bin ich?“
    „Wenig über einen Zentner.“
    „O Unglück, o Unterschied! Da passe ich freilich nicht in seine Arme und an sein Herz. Da ist es auf alle Fälle besser, ihm eine Kugel zu geben. Also vorwärts! Suchen wir ihn!“
    „Er ist nicht mehr da. Wenn du das niedergetretene Gestrüpp genau betrachtest, so findest du die Bruchstellen schmutzartig gefärbt. Ich vermute, daß das Tier nicht heute, sondern schon gestern hier gewesen ist. Wir brauchen das Dickicht nicht zu untersuchen. Wenn wir es einfach umkreisen, so ist das bequemer, und wir sehen wohl die Stelle, an welcher er hineingegangen oder herausgekommen ist.“
    Wir verließen also das Dorngewirr und umschritten es. Der Punkt, an welchem der Bär hineingedrungen war, ließ sich schnell finden. Er lag gegen den Wald zu und war daran zu erkennen, daß die niedergerissenen Zweige und Ranken nach einwärts gerichtet lagen. Da, wo sie nach auswärts lagen, mußte er herausgekommen sein. Diese Stelle lag gegen das Wasser hin. Ich suchte nach der Fährte, fand aber nur einzelne, kaum mehr zu lesende Tritte, welche nach dem Bach führten. Wir gingen ihnen nach und kamen zu der Stelle, wo Petz getrunken hatte. Das Wasser schien trübe geworden zu sein, und er war darum mit den Vorderpranken hineingestiegen. Jetzt floß es kristallrein über die Stelle, und nun erkannten wir im weichen Grund des gar nicht tiefen Baches die deutlichen Abdrücke der Tatzen. Er hatte sie während des Trinkens nicht bewegt und sie dann so behutsam herausgenommen, als ob er die Absicht gehabt habe, uns ja recht genaue Abdrücke seiner Patschen zu hinterlassen.
    Meine vorhin ausgesprochene Vermutung bestätigte sich: der Bursche war von bedeutender Größe. Seine Sohlen waren stark gepolstert, woraus man leicht schließen konnte, daß er eine ansehnliche Masse von Fett mit sich herumtrug. Von hier war er nach einer sandigen Stelle getrollt, auf welcher er sich gewälzt hatte. Von da an gab es keine deutliche Spur mehr. Nur aus leisen Anzeichen ließ sich vermuten, daß er in den Wald zurückgekehrt sei.
    „Wie schade!“ klagte Halef. „Dieser Sohn einer Bärenmutter ist nicht einmal so höflich gewesen, auf uns zu

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